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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der
Autoren: Vladimir Sorokin
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landen die Schläge des Opritschniks. Meine Männer stoßen Pfiffe aus, frohlocken. Ein letzter, verheerender Schlag, und der Stallknecht fällt um. Pogoda stellt ihm den schicken Stiefel auf die Brust, zieht das Messer aus der Scheide und fährt dem Liegenden damit schwungvoll einmal quer übers Gesicht – ritsch! So muss es sein. Als Lehre. Anders darf man mit ihnen jetzt nicht umspringen.
    Mit Blut geht alles wie geschmiert.
    Der Kampfgeist der Meute ist erloschen. Der Plumpsack hält sich die zersäbelte Visage, zwischen den Fingern spritzt das Blut hervor.
    Pogoda packt das Messer weg, rotzt auf den Besiegten. »Puh! Der blutet ja! Schöne Schweinerei!«, sagt er und zwinkert den Umstehenden zu.
    Der Spruch ist bekannt. Es ist unserer. Hat sich so eingebürgert.
    Höchste Zeit, einen Punkt zu machen.
    Den Knüppel erhoben, rufe ich: »Auf die Knie, ihr Trampel!«
    In solchen Augenblicken sieht man, woran man ist. Oh, der Russe ist einfach unverwechselbar! Die Gesichter der verdutzten Meute! Einfache russische Gesichter. Ich liebe ihren Anblick in Momenten wie diesem, in der Stunde der Wahrheit. Sie sind ein Spiegel. Darin wir uns spiegeln. Wir und die liebe Sonne.
    Gottlob ist dieser Spiegel noch nicht stumpf geworden, nicht blind von der Zeit.
    Die Meute sinkt auf die Knie.
    Wir atmen auf. Im nächsten Moment ruft der Alte an. Er hat von seinem Moskauer Haus aus zugesehen.
    »Gut gemacht!«
    »Wir dienen dem russischen Vaterland, Ältester! Was wird aus dem Haus?«
    »Auf Abriss.«
    Auf Abriss? Das ist neu … Bisher wurde ein kaltgestelltes Anwesen noch jedes Mal verschont und den eignen Leuten zugeführt. Das Gesinde wechselte zum neuen Herrn über. So war es auch bei mir. Wir blicken uns an. Der Alte lächelt und zeigt seine weißen Zähne.
    »Was zögert ihr noch? Das ist ein Befehl: dem Erdboden gleichmachen.«
    »Wird erledigt, Ältester!«
    Aha. Dem Erdboden gleich. Bedeutet: den roten Hahn aufs Dach. Das hat es lange nicht gegeben. Aber Befehl ist Befehl. Da wird nicht diskutiert. Ich kommandiere das Gesinde: »Jeder kann einen Sack voll Plunder mitnehmen! Ihr habt zwei Minuten Zeit!«
    Sie haben schnell begriffen, dass das Haus verloren ist. Sich am Riemen gerissen. Sind losgerannt, jeder in sein Kämmerchen, um das Nötigste zu greifen oderauch nur das Erstbeste. Währenddessen behalten meine Leute das Haus im Blick. Gitter vor den Fenstern, eisenbeschlagene Türen, rote Backsteinwände. Alles sehr solide. Gutes, glattes Mauerwerk. Die Vorhänge vor die Fenster gezogen – bis auf einen Spalt, durch den flinke Augen spähen. Dort drinnen hinter den Gittern herrscht häusliche Geborgenheit. Das heißt, sie hat die längste Zeit geherrscht, hält nun den Atem an, zuckt in Todesangst … Oh, wie wonniglich, in diese Geborgenheit hineinzustoßen, herauszukratzen von da das zuckende Etwas!
    Das Gesinde hat seinen Kram zusammengesucht, jeder einen Sack. Jetzt kommen sie geschlichen, demütig wie ein Häuflein Wanderprediger. Wir lassen sie zum Tor. Dort, an der Bresche, stehen die Strelitzen mit ihren Strahlenschusswaffen auf Wacht. Das Gesinde verlässt das Anwesen, schaut sich immer wieder um. Schaut nur, ihr Tölpel, uns soll es recht sein. Denn jetzt schlägt unsere Stunde. Wir umstellen das Haus, klopfen mit den Knüppeln an die Fenstergitter und gegen die Mauern:
    »Dran und drauf!«
    »Dran und drauf!«
    »Dran und drauf!«
    Sodann umschreiten wir es dreimal in Richtung des Sonnenlaufs:
    »Wehe diesem Haus!«
    »Wehe diesem Haus!«
    »Wehe diesem Haus!«
    Pojarok pappt seinen Sprengsatz an die schmiedeeiserne Tür. Wir treten zurück, legen die Handschuhe vor die Ohren. Die Ladung detoniert – und die Tür ist nicht mehr da. Allerdings ist dahinter noch eine, aus Holz. Siwolai holt den Schneidbrenner hervor. Die sirrende blaue Flamme, nicht dicker als eine Stricknadel, frisst sich wütend voran, und binnen kürzester Zeit kippt polternd ein Streifen aus dem Türblatt.
    Wir treten ein. Ganz ruhig. Zu viel Eile ist jetzt nicht mehr angebracht.
    Drinnen ist es still und friedlich. Ein schönes Haus hat dieser Edelmann, sehr behaglich. Das Gesellschaftszimmer ist ganz auf chinesische Art eingerichtet: Liegen, Teppiche, flache kleine Tische, mannshohe Vasen, Rollbilder, Drachen auf Seide und aus grünem Jadestein. Auch die Verlautbarungsblasen sind aus China: geschweifte Formen, in Ebenholz gefasst. Fernöstliche Düfte hängen in der Luft. Das ist die heutige Mode, was soll man machen. Über die
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