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Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde

Titel: Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
Autoren: O Krouk
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doch nicht so schwer zu verstehen. Oder sitzt du auf deinen Öhrchen?«
    »Hör zu. Schätzchen.« Sie legte einen Zeigefinger unter den zusammengerollten Schmetterlingsrüssel, der in der Mitte des halb menschlichen, halb insektenähnlichen Gesichts prangte, rollte ihn aus und klemmte das Ende mit dem Daumen fest. »Glaub mir, ich werde schon einen Grund finden, damit das Ordnungsamt und der Oberste Dämonenrat dir besondere Aufmerksamkeit schenken. Der Abgeordnete ist sicher noch im Haus. Zufälligerweise ist er auch mein Erzeuger, und seine Nase, die er in die Angelegenheiten anderer stecken mag, ist viel länger als deine.« Sie ließ den Rüssel los, der sich zusammenrollte wie eine Partytröte. »Willst du es darauf ankommen lassen oder endlich erfahren, ob dieser schöne und schüchterne Succubus endlich den Mumm findet, seinem Partner die Energie auszusaugen?«
    »Du bist eine Plage, Herzchen.« Die Schwester rief die Krankenhausseite auf und tippte etwas in die Suchmaske. »Ja, ich habe ihn gefunden. Er ist auf der Intensiv.« Sie nannte die Zimmernummer. »Zufrieden?«
    Zarah drehte sich um. Nickte, als sie bereits im Flur war.
    Auf der Intensiv . Wenn sie die Lider schloss, stiegen die Bilder hoch, die sie verdrängt hatte. Die ergraute Haut und das schaumige Blut vor seinem Mund. Seine Anstrengungen, Luft zu holen. Gaius’ Worte hatten Hoffnungen in ihr geweckt, die Krankenschwester ließ die Angst erneut aufleben. ›Auf der Intensiv‹ war ein schlimmes, schlimmes Wort. Aber ein besseres als ›Leichenhalle‹.
    Vor seinem Zimmer verharrte sie und lauschte, brauchte drei Anläufe, um anzuklopfen. Es folgte keine Antwort. Vielleicht schlief er, vielleicht sollte sie ihn lieber nicht stören und zuerst mit einem Arzt reden.
    Dann hörte sie Schritte und floh zu ihm ins Zimmer, um ihn wenigstens ein Mal zu sehen, bevor ordnungstreue Krankenschwestern sie mit einem Sicherheitsteam von ihm fortschleppen würden.
    Er schlief. Umgeben von Schläuchen und Kabeln, überwacht von unzähligen Maschinen, deren Anblick Zarah monströs vorkam. Er sah so hilflos aus, den Geräten vollkommen ausgeliefert.
    Ihre Finger zitterten, als sie ihre Hand in die seine gleiten ließ. »Ich bin bei dir.« Die kühle Plastikkappe an seinem Zeigefinger berührte sie unangenehm. Sie schloss die Augen, blendete alles Fremde, alles Künstliche an ihm aus. »Ich bin bei dir.«
    Niemand zerrte sie von ihm fort. Er schlief. Sie musste einfach warten, bis er aufwachte.
    Es gab keinen Stuhl, also ließ sie sich auf den Boden neben seinem Bett sinken und machte ›Ich bin bei dir‹ zu ihrem Mantra.
    Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie merkte, dass sie nicht mehr allein war. Sie musste sich zwingen, den Blick von seinem Gesicht zu lösen, den Kopf zu drehen und aufzuschauen. Am Fußende des Betts stand der Arzt mit den menschlichsten Augen, die sie je betrachtet hatte. Derjenige, der sie nach dem Formwandlerangriff besucht und sie hübsch genannt hatte.
    »Wie geht es ihm?« Sie wollte aufstehen und konnte es nicht. Ihre Beine waren wie aus Schaumgummi.
    »Bleiben Sie lieber sitzen.«
    »Wie geht es ihm? Wann wird er aufwachen?«
    »Seine Lunge ist kollabiert. Er hat die Not-OP zwar überstanden, aber sein Gehirn konnte nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Als er nach der Absetzung der sedierenden Medikamente nicht erwacht ist, haben wir eine neurologische Diagnose erstellt. Die Ergebnisse sind da. Er hat enorme Hirnschäden davongetragen.«
    Sie starrte ihn an. Irgendetwas in ihrem Gehirn schien selbst nicht ausreichend versorgt zu werden, als entglitte ihr die Realität. »Ja, aber wann wird er aufwachen?«
    »Höchstwahrscheinlich gar nicht. Es tut mir leid.«
    Sie sah auf all die Schläuche, die bunten Linien auf den Monitoren und die blinkenden Lichter. »Aber er lebt doch.«
    »Er ist hirntot. Sein Körper wird durch die Maschinen am Leben erhalten, aber er selbst ist nicht mehr da.«
    »Nein! Er wurde in eine höhere Kaste erhoben … Der Abgeordnete des Obersten Dämonenrates hat gesagt, dass … dass …« Dass ich stark bleiben muss. »… dass er rehabilitiert wurde.«
    »Genau deshalb ist er noch hier.« Der Arzt senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Ein Mensch würde überhaupt keine lebenserhaltenden Maßnahmen bekommen. Hätte das Krankenhaus keine Anweisungen von ganz oben erhalten, hätte nicht einmal ich noch etwas für ihn tun können.«
    »Und was hast du getan? Was? Warum haben die
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