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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles
Autoren: Andreas Pittler
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denken können, mosaischer Abkunft. In der gegenwärtigen politischen Lage ist das nicht gerade von Vorteil.“
    Cerny sah unwillkürlich zu Bronstein hin und meinte ein kurzes Zucken zu erkennen. Doch es war offensichtlich, dass sich der Oberst nichts anmerken lassen wollte, und so blickte auch Cerny sofort wieder in die Richtung der Demand.
    „Könnte es sein, dass Ihr Mann auch hier in seinem eigenen Haus Feinde hatte? Wir haben da etwas von einem verkrachten Künstler gehört.“
    „Ach der“, lachte die Demand kurz auf, „der ist völlig harmlos. Ein Krakeeler, ja, aber ansonst eine sensible Seele, die um Anerkennung ringt. Er hat keinen Erfolg mit seinen Bildern, weil sie viel zu epigonal sind. Zumal in Zeiten, wo die Leute ihr Geld für andere Dinge brauchen als für unbekannte Maler. Mein Mann wollte ihm kündigen, weil er seit geraumer Zeit mit dem Zins in Rückstand ist, doch ich habe ihm gut zugeredet, ihm noch eine Frist einzuräumen. Der arme Mann lebt ja ohnehin vom Fensterkitt, und wenn er jetzt noch auf die Straße müsste, dann würde er endgültig jeden Halt verlieren.“
    „Und wie ist … war das Verhältnis zwischen Ihrem Mann und seinen Söhnen?“ Bronstein ärgerte sich über seinen Fehler und bemühte sich darum umso mehr um Haltung.
    „Die beiden jungen Herren waren anfangs sehr nervös, sie könnten durch mich um ihr Erbe kommen“, gab die Demand unumwunden zu, „und wie Sie sich vorstellen können, wurden sie durch ihre Mutter in ihrer Haltung bestärkt. So gesehen war es ein Segen, dass uns jedwede Nachkommenschaft verwehrt blieb, denn das hat meine Stiefsöhne allmählich ein wenig beruhigt. Zudem hat mein Mann testamentarisch verfügt, dass die beiden jungen Herren nach ihm zu gleichen Teilen die Firma übernehmen sollten.“
    „Es gibt also ein Testament?“, fragte Cerny nach, „kennen Sie dessen Inhalt?“
    „Natürlich, wir alle kennen ihn, denn mein Mann hat es im Beisein seiner Söhne, seiner ehemaligen Gattin und mir vor einem Notar vorgelesen, ehe dieser es entgegennahm.“
    „Und was steht in der Verfügung?“ Das war nun wieder Bronstein.
    „Ich bekomme das Haus, die Söhne die Firma und alles, was damit verbunden ist. Der ehemaligen Gattin ist wie mir eine Leibrente ausgesetzt. An sonstige Bestimmungen könnte ich mich nicht erinnern.“
    Ein kleiner Moment des Schweigens dehnte sich aus. Cerny und Bronstein wechselten einen kurzen Blick, dann umklammerte Bronstein die Lehnen seines Sessels, sammelte Schwung und erhob sich: „Gnädige Frau, ich denke, das ist vorerst alles. Bitte seien Sie noch einmal unseres aufrichtigen Beileids versichert. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um den oder die Täter zu fassen. Wer immer für diese grauenhafte Tat verantwortlich ist, er wird noch sehr bitter bereuen, sie begangen zu haben.“
    Auch Alwine Demand stand nun auf und unterdrückte nochmals ein Schluchzen: „Ich danke Ihnen, meine Herren. Wenn Sie noch etwas brauchen sollten, ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung.“
    „Danke, wir dürfen uns jetzt empfehlen.“ Bronstein und Cerny verabschiedeten sich mit einem formvollendeten Handkuss und ließen sich von der Haushälterin zur Tür geleiten. Wieder auf dem Gang stehend, atmeten sie beide einmal durch.
    Bronstein bemühte sich um ein Lächeln: „Bemerkenswert schönes Frauenzimmer, was?“
    „Zweifelsohne. Aber für den Fall wohl unerheblich. Es sei denn, die gnädige Frau hatte heimlich einen Liebhaber, und wir haben es hier mit einem Eifersuchtsmord zu tun. Doch das schließe ich, ehrlich gesagt, aus.“
    Bronstein verzog keine Miene, doch innerlich kochte er. Cerny war in seiner Perfektion manchmal wirklich unerträglich. Warum konnte dieser Mann nicht wenigstens das eine oder andere Mal ein wenig Verständnis dafür aufbringen, dass auch er, Bronstein, menschliche Empfindungen hegte? Musste Cerny immer gleich alles auf die Goldwaage legen?
    Cerny ließ seinem Vorgesetzten keine Zeit zum Grübeln. „Gehen wir gleich rüber zur Hawranek, oder willst du der restlichen Familie Vorrang einräumen?“ Bronstein entschied, man solle die Wohnungen der Reihe nach aufsuchen, ohne auf familiäre Verbindungen Rücksicht zu nehmen. Und so klopften die beiden Beamten wenig später an die Tür der alten Hawranek.
    Schon auf den ersten Blick wusste Bronstein, diese Person konnte man aus den Ermittlungen heraushalten. Sie war sichtlich weit über siebzig, gebrechlich und zudem kaum in der Lage, auch nur einer
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