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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles
Autoren: Andreas Pittler
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schon geraume Zeit unter der Brücke schlafen, doch zum Glück hielt die gnädige Frau ihre schützende Hand über mich, sodass ich mich weiter voll und ganz der Kunst widmen konnte.“
    „Ja, das haben wir eben gesehen“, meinte Bronstein lakonisch.
    „Kommen Sie jetzt bitte nicht auf falsche Gedanken, meine Herren. Die Dame war mein Modell, und weiter nichts. Irgendwann hat sie dem Alkohol zu viel zugesprochen und schlief dann ein, was mich weiter nicht störte, weil ich so Zeit fand, meine Skizzen auszuarbeiten.“
    „Und was sollte die Nummer mit der Gurke?“, belferte Bronstein, der dafür ein begütigendes Kopfschütteln von Cerny erntete. „Ich glaube nicht, dass diese Sache etwas mit unserem Fall zu tun hat.“ Dann wandte sich Cerny wieder an Krämer: „Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen in dieser Nacht?“
    „Nein. Ehrlich nicht, ich war so in mein Malen vertieft, da lasse ich mich nicht ablenken.“
    „Außer durch eine Gurke“, maulte Bronstein, immer noch irritiert darüber, dass ihm Cerny als der Niederrangigere in die Parade gefahren war.
    „Herr Krämer, das war’s vorerst“, beendete Cerny die peinliche Szene, „sollte es noch etwas geben, werden wir uns bei Ihnen melden, und sollte Ihnen noch etwas einfallen, dann setzen Sie sich bitte mit der Mordkommission in Verbindung. Einen schönen Tag noch.“
    Cerny hakte sich bei Bronstein unter und schob diesen aus der Wohnung. „Was sollte das eben?“, fauchte dieser, kaum dass sie wieder auf dem Gang standen.
    „Ich glaube nicht, dass es uns etwas angeht, wenn erwachsene Menschen in den eigenen vier Wänden ihren Vorlieben nachgehen. Wir sind nicht von der Sitte, und selbst die hätte hier wohl keinen Grund zum Einschreiten, solange nicht der dringende Verdacht besteht, dass die Dame der geheimen Prostitution nachgeht.“
    „Aber eine Gurke? Das ist doch abartig?!“ – Bronstein war immer noch erregt.
    „Mein Geschmack ist so etwas auch nicht. Aber ich kümmere mich nicht weiter darum. Und das würde ich, mit Verlaub, auch dir raten.“
    „Eine Gurke“, wiederholte Bronstein nochmals, diesmal allerdings schon mehr für sich.
    „Statten wir doch nun der gewesenen Frau Demand einen Besuch ab“, schlug Cerny vor.
    Sie überquerten den Gang und klopften an. Eine ältliche und dickliche Frau, der die Verbitterung bereits auf den ersten Blick anzusehen war, öffnete die Tür. Bronstein und Cerny stellten sich vor und dann die Frage, ob es sich bei ihrem Gegenüber um die erste Frau Demands handle, was ihnen von der alten Frau bestätigt wurde.
    „Könnten Sie uns Ihre Personalien geben?“, ersuchte sie sodann Cerny.
    „Ich heiße Madeleine Demand und bin am 13. Dezember 1878 hier in Wien geboren. Ich habe meinen Mann 1901 geheiratet und wurde nach dreißig Ehejahren schuldlos geschieden, weil sich mein Mann, benebelt von beginnender Alterssenilität, plötzlich zu einem jungen Ding hingezogen wähnte. Aber darf ich fragen, weshalb Sie das überhaupt wissen wollen?“
    „Verzeihen Sie“, beeilte sich Cerny, den Fehler wiedergutzumachen, „wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr ehemaliger Ehemann in der Nacht auf heute einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist.“
    Die Frau erbleichte, rang sichtlich um Atem und begann zu taumeln. „Und das sagen … Sie … mir einfach so“, stammelte sie, ehe sie zurück in ihre Wohnung wankte und sich auf einen Fauteuil fallen ließ, der sich im Vorzimmer befand. „Mein Riechsalz!“, stöhnte sie und deutete vage in eine Richtung, in der die Beamten die Küche vermuteten.
    Während Bronstein ratlos in die besagte Richtung blickte, ergriff Cerny rasch die Initiative und begab sich in den angegegebenen Teil der Wohnung. Tatsächlich fand er das begehrte Fläschchen exponiert auf einem Regal stehen. Er ergriff es und eilte damit zurück in das Vorzimmer, wo die Frau heftig stöhnte, während Bronstein umständlich im Raum stand. Cerny öffnete die Flasche und hielt sie der alten Demand in angezeigtem Abstand unter die Nase. Diese schnupperte ein wenig, und schon beruhigte sich ihr schwerer Atem ein wenig. Die Fraumachte schließlich eine abwehrende Handbewegung, die Cerny als Aufforderung wertete, die Flasche wieder zu verschließen, während sie ihren Kopf ermattet in die Sessellehne sinken ließ. „Wer … tut so … etwas?“, keuchte sie endlich.
    „Um das herauszufinden, sind wir hier“, entgegnete Bronstein, willens, endlich auch wieder in das Geschehen einzugreifen.
    „Das
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