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Tacheles

Tacheles

Titel: Tacheles
Autoren: Andreas Pittler
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sie endlich hervor.
    „Wie es aussieht, wurde Ihr Mann erschlagen, als er auf dem Weg zu Ihnen war. Derzeit tappen wir noch völlig im Dunkeln, haben nicht einmal ansatzweise eine Theorie, weshalb wir umso mehr auf Ihre Hilfe, Frau Demand, angewiesen sind.“ Cerny versuchte, diese Sätze so mitfühlend wie möglich auszusprechen, während Bronstein immer noch vollkommen abwesend wirkte.
    Erst als ihm die Hausgehilfin den Kaffee vor die Nase setzte, kam wieder Leben in Bronstein, der sich jetzt erstmals selbst zu Wort meldete.
    „Verzeihen Sie, gnädige Frau, aber damit wir auch ganz genau wissen, mit wem wir es zu tun haben, könnten Sie so gütig sein, uns Ihre genauen Daten zu geben? Name, Geburtstag und -ort, Lebenslauf und so weiter. Wir benötigen das für den Bericht, müssen Sie wissen.“
    Cerny schickte einen kurzen Blick zu Bronstein. Er hielt es für taktlos, eine junge Frau, die eben erfahren musste, dass sie Witwe geworden war, mit solchen Formalitäten zu behelligen, doch die junge Dame antwortete mittlerweile ziemlich gefasst: „Ich heiße Alwine Demand, geborene Edle von Krieger. Ich kam am 24. November 1906 in Johannisthal nahe Spindlermühle in Böhmen zur Welt, wo meine Familie ein kleines Gut besitzt. Nach dem Zusammenbruch beschloss mein Vater, in Wien zu bleiben und den Familienbesitz durch einen Verwalter betreuen zu lassen. Ich maturierte 1925 an der Höheren Schule für wirtschaftliche Frauenberufe auf der Wieden und begann danach ein Studium an der hiesigen Universität. Mein Vater machte seit längerem intensiv Geschäfte mit Emanuel, und so ergab es sich irgendwann, dass sich Emanuel in mich verliebte. Ich gab diesem Werben lange Zeit nicht nach, weil er ja verheiratet war und es mir unmoralisch erschien, sich zwischen zwei Eheleute zu stellen. Zudem gab es da ja noch den nicht unbeträchtlichen Altersunterschied. Aber mein Vater überzeugte mich schließlichdavon, dass die Ehe der Demands ohnehin vollkommen zerrüttet war und es der Familie zu großem Vorteil gereichen würde, wenn ich Emanuel erhörte. So gab ich dann irgendwann einmal nach und im Mai 1932 haben wir geheiratet. Ich denke, dass Emanuel sich von mir Kinder erwartete, aber dazu ist es nicht gekommen … und wird es auch nicht mehr.“
    Es schien, als würde Alwine Demand neuerlich vom Schmerz überwältigt. Ihre Stimme brach, und einige Tränen bahnten sich ihren Weg über die Wangen der jungen Frau. Cerny sprang behände auf, holte währenddessen sein Stecktuch aus dem Jackett und reichte es der Demand, die es mit einem Ausdruck inniger Dankbarkeit entgegennahm, um sich damit sodann das Gesicht abzutupfen. Eine Pause breitete sich im Raum aus.
    „Ist es Ihnen, gnädige Frau, nicht seltsam vorgekommen, dass Ihr Mann gestern Abend nicht nach Hause kam?“
    „Offen gestanden nicht“, sagte die Demand, dabei ein Schluchzen unterdrückend, „denn das kam immer wieder einmal vor. Mein Mann lebte voll und ganz für seine Geschäfte. Selbst am Wochenende kannte er nichts anderes. Im Gegenzug ließ er mir viel Freiraum, ich durfte meinen Studien nachgehen und mich auch mit Freundinnen treffen, ohne dass er genauere Auskünfte von mir begehrte. In gewisser Weise führten wir, wenn Sie so wollen, eine moderne Ehe.“
    „Die aber wesentlich von den Geschäften Ihres Mannes geprägt war“, hakte Bronstein nach.
    „Nun, ist das nicht sehr oft der Fall?“, entgegnete die Demand. Cerny wollte die Unterhaltung wieder auf den eigentlichen Fall zurückführen: „Fiele Ihnen, gnädige Frau, jemand ein, der Ihrem Mann übelwollte? Hatte er Feinde?“
    „Ich vermute einmal, jeder erfolgreiche Geschäftsmann hat Feinde. Alle, die nicht so erfolgreich sind wie er, könnte ich mir denken. Sie wissen, dass es mit der Wirtschaft schon seit einigen Jahren nicht zum Besten steht, doch die Firma meines Manneshat zuletzt sogar expandiert, das könnte einige Neider auf den Plan gerufen haben. Außerdem galt mein Mann, der privat ein sehr fürsorglicher und feinsinniger Mensch war, im Geschäftsleben als eher hart und kompromisslos. Erst vor kurzem hat er einen Teil der Produktion nach Ungarn verlagert, weshalb er in seinen niederösterreichischen Niederlassungen Arbeiter abgebaut hat. Das hat für viel böses Blut gesorgt, und er bekam unverhohlene Drohungen zu hören. Und außerdem …“
    Die Frau sprach nicht weiter.
    „Und außerdem …“, ermunterte sie Cerny weiterzureden.
    „Und außerdem ist mein Mann, wie Sie sich vielleicht
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