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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller
Autoren: Tom Egeland
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zuvor von einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche als vermisst gemeldet worden.
    Die Pathologen stellten fest, was alle wussten: Sie war ertrunken. Es war unmöglich zu sagen, ob das auf einen Unfall zurückzuführen war oder ob jemand sie ertränkt hatte. Man konnte nicht ausschließen, dass sie ins Wasser gefallen war. Oder sich das Leben genommen hatte.
    Mit rotem Stift hatte sie (oder eine andere Person) eine Zwei zwischen ihre kleinen, spitzen Brüste geschrieben. Niemand verstand, warum.
    Die Polizei durchsuchte das Gebüsch rund um den See, doch keines der Fundstücke – vergilbte Zeitungen, eine zerbrochene Thermoskanne, ein Schnorchel, die Aluminiumfolie einer Super- 8-Kassette, der Stiel eines Papierfähnchens – konnte mit dem Mädchen in Verbindung gebracht werden.
    Ihre Kleider wurden nie gefunden.
    Die Ermittlungen wurden noch im gleichen Herbst eingestellt.

BANKPLASSEN, OSLO OKTOBER 1986
    Er betrachtete sie lange, bevor er sie rief.
    Sie stand auf einer Steintreppe und versuchte, sich vor dem garstigen Herbstwetter zu schützen. Den ganzen Tag schon hatte ein böiger Wind geweht, und am Abend war dann noch Schneeregen dazugekommen. Nasse Flocken wirbelten in den Böen auf.
    Sie hatte lange Beine und trug einen sehr kurzen Rock. Netzstrümpfe. Hohe Lackstiefel. Eine Pelzjacke.
    Er zoomte sie heran und drückte auf den Auslöser. Vermutlich war es nicht hell genug. Aber wenn es ihm gelang, ihre Silhouette vor der Straßenlaterne einzufangen, ergab das sicher einen dramatischen Effekt. Wie in Hiroshima, mon amour .
    Im Schutz der Dunkelheit in dem geparkten Auto beobachtete er sie. Die schmale Gestalt, ihren Atem, die immer wieder aufleuchtende Glut der Zigarette.
    Er legte die Kamera auf den Boden und blinkte mit dem Fernlicht. Zweimal.
    Die Zigarettenglut zeichnete einen weiten Bogen. Dann stöckelte sie ihm auf ihren hohen Absätzen entgegen.
    Hübsches Mädchen. Um die zwanzig. Sicher nicht drogenabhängig.
    Er kurbelte die Scheibe runter und lächelte sie an. Mit seinem Robert-Redford-Lächeln. Ihrem Blick entnahm er, dass sie ihn attraktiv fand… ganz anders als diese fetten, geilen Kerle, die sabbernd in ihren Volvos die immer gleichen Runden drehten.
    »Eine Nummer?«, fragte sie geschäftsmäßig. Und fröstelte.
    »Nummer drei«, sagte er. Frei heraus. Er lachte über sich selbst.
    Sie sah ihn verständnislos an und neigte den Kopf.
    »Ein Spaß. Vergiss es!« Er lächelte warm. Beugte sich hinüber und öffnete die Tür.
    Wie eine Marktverkäuferin begann sie, ihm die Preisliste herunterzuleiern, bis er sie unterbrach und ihr einen Tausender extra bot, wenn sie für ein paar Stunden mit zu ihm nach Hause kam. Vielleicht sogar länger, sollte es zwischen ihnen funken.
    Sie musterte ihn. Er hielt ihrem Blick stand. Lächelte. Ein ungefährliches, freundliches Lächeln.
    »Okay«, sagte sie schließlich, zögernd.
     
    Er fuhr mit ihr nach Hause, öffnete ihr die Tür, half ihr aus der Pelzjacke und führte sie ins Wohnzimmer.
    Er legte eine Barry-Manilow-Platte auf und goss zwei Gläser Cognac ein.
    Sie liebte Barry Manilow. Und Cognac.
    Er sagte: »Na dann, prost. Auf Barry!«
    Sie sagte ihm, ihr Name sei Mona. Sie sei eine alleinerziehende Mutter und erst seit wenigen Monaten als Prostituierte tätig. Sie brauchte das Geld, bis sie einen anderen, einen anständigen Job fände.
    »Ich würde dich gerne filmen, Mona«, sagte er.
    Zuerst antwortete sie nicht. Dann zuckte sie mit den Schultern und sagte: »Das kostet dich dann noch einen Tausender.«
    »Geht in Ordnung. Warte, zieh dich noch nicht aus, bis ich zurückkomme.«
    Er holte die Bauer-Kamera und drehte die Tausend-Watt-Birne in den Scheinwerfer. In dem grellen Licht kniff sie die Augen zusammen.
    »Bereit?«, fragte er.
    » Ready when you are, babe. «
    Sie zog sich mit einer unbeholfenen Professionalität aus, die er beinahe rührend fand. Er filmte während der ganzen Zeit.
    »Weißt du – du gefällst mir«, sagte sie. »Wirklich.«
    Er antwortete nicht.
    Sie kam nackt auf ihn zu. »Willst du dich nicht ausziehen?«, fragte sie neckisch und fingerte an seinem Gürtel herum.
    Er hörte mit dem Filmen auf. Als er die Kamera vom Auge nahm, sah er unscharf.
    »Ich möchte, dass wir erst ein Bad nehmen«, sagte er.
    »Gerne«, erwiderte sie lächelnd.
     
    Sie fanden sie nie.
    Er hatte sich immer über Mörder gewundert, denen es nicht gelang, ihre Leichen zu verstecken. Als ob das ein Problem wäre. Wie er die Sache sah,
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