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Tabu: Thriller

Tabu: Thriller

Titel: Tabu: Thriller
Autoren: Tom Egeland
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ihren Kollegen bei der Zeitung war rührend gewesen; Tränen und Reden, Glückwünsche und Umarmungen, Rotwein bis weit in den Morgen. Der Chefredakteur hatte ihr einen vergoldeten Füller geschenkt und ihr versichert, die Tür vom Dagbladet werde ihr immer offen stehen, sollte ihr die Fernsehbranche zu hart werden. Die Nachrichtenredaktion hatte eine Zeitungsseite mit dem Titel »Toi, toi, toi, Kristin« über einem scheußlichen Bild von ihr gestaltet. Im Handumdrehen war dieser Abschnitt ihres Lebens vorbei gewesen. Sie lächelte nachdenklich; man schreibt eine Kündigung, jemand hält eine Rede, und schon wartet ein neues Leben auf einen. Ein spannendes Leben, auch wenn man das alte vermisst.
    »Kristin, pleeeeease , quatsch mich bloß nicht tot!«
    Roffern – sein richtiger Name war wohl Rolf, nur dass ihn niemand so nannte – legte die Finger um das Lenkrad und sah sie amüsiert an. Er war ein magerer Mann Ende zwanzig. Süß auf eine seltsame Weise, fand Kristin. Intensive Augen. Pferdeschwanz, zwei Goldringe im Ohr, Ziegenbart. Voller Ideen und Enthusiasmus. Auf einem Betriebsfest hatte er ihr anvertraut, dass er gerne mal einen Spielfilm drehen würde oder wenigstens Kurzfilme oder Popvideos. Doch die letzten zwei Jahre hatte er als Kameramann und Fotograf für die Nachrichtensendung »24 Stunden!« von Kanal 24 gearbeitet.
    »Entschuldigung«, sagte sie verlegen, »ich war wohl mit den Gedanken woanders…«
    »…bei deinem Filmsternchen?«
    »Marcus? Filmsternchen?« Die Frage kam kurz und ungehalten.
    Sie streckte Roffern die Zunge raus, um ihre Reaktion zu überspielen. »An den denke ich ganz bestimmt nicht.«
    »Hat er viel Geld erbeutet?«
    »Marcus?«
    »Der Räuber, du Gans!«
    »Keine Ahnung.«
    »Irgendeine Aktion?«
    »Ich weiß nicht. Ich war schon froh, dass mir die Polizei überhaupt die Adresse genannt hat, du Ganter!«
    Es war ihr fünfter Raubüberfall für »24 Stunden!«, und sie hasste diese Aufträge. Genervte Polizisten, die immer gleichen Zettel im Fenster (wegen Raubüberfall geschlossen) und die Schaulustigen, die vor der Kamera herumrennen und die Bilder kaputtmachen mussten.
    »Veitvetcenter…«, sagte Roffern. »Ich war mal mit einem Mädchen aus den Selvaag-Blocks zusammen.«
    »Das bezweifle ich nicht, Roffern, wirklich nicht.«
     
    Drei Polizeiwagen sperrten die Sackgasse vor der Postfiliale ab. In dem scharfen Sonnenlicht war das Blinken der Blaulichter kaum zu sehen. Ein Krankenwagen stand schräg auf der Straße. Die übliche Schar von Gaffern – Schüler mit Ranzen über der Schulter, rauchende junge Männer und Hausfrauen mit Kinderwagen – schlenderte um die Absperrungen.
    Roffern fuhr hinter dem VG -Wagen auf den Bürgersteig. Er nahm die schwere Fernsehkamera mit und reichte Kristin ein rotes Mikrofon mit einer goldenen 24 darauf. TV2- und TvNorges-Übertragungswagen parkten hinter ihnen. Kristin hielt nach den Leuten von der größten Nachrichtensendung »Dagsrevyen« Ausschau. Vermutlich würden sie über diesen Raub gar nicht berichten, nicht nach der Sommerdebatte über die Nachrichtenprofile der einzelnen Fernsehsender. Eine kurze Meldung, wenn’s hochkam, und nur, wenn die Beute außerordentlich hoch ausgefallen sein sollte.
    Roffern zeigte auf den Polizeiwagen mit der Aufschrift Einsatzleitung . Ein Polizist mit grauen Haaren saß in der Tür des Wagens und sprach in ein Funkgerät.
    »Rødberg. Der Einsatzleiter. Achtung, ein echter Mistkerl«, flüsterte Roffern und schob sie in Richtung des Polizisten.
    Kristin nickte ihm vorsichtig zu, als er aufsah, und wartete, bis er das Funkgerät wieder in die Halterung gesteckt hatte. »Guten Tag, entschuldigen Sie? Kristin Bye von ›24 Stunden!‹ – Können Sie schon etwas sagen?«
    »Nicht viel«, seine Stimme war ebenso abweisend wie sein Blick. »Rufen Sie in ein paar Stunden die Pressestelle an.«
    »Der Betrag ist noch nicht bekannt?« Wenigstens das hatte sie gelernt, es dauerte immer Stunden, bis sie eine Ahnung hatten, wie viel wirklich gestohlen worden war.
    »Er hat nichts mitnehmen können.«
    »Nichts?«
    »Der Raubüberfall konnte vereitelt werden.«
    »Uih, was ist passiert?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Sind Personen verletzt worden?«
    »Nein.«
    Kristin warf einen fragenden Blick in Richtung Krankenwagen.
    »Nichts Gravierendes, reine Routine.«
    »Aber was ist passiert?«
    Wieder zögerte er, bevor er sagte: »Ein Kunde hat versucht, den Täter aufzuhalten. Er wurde niedergeschlagen,
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