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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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wieder mitnimmt, nur ihrer Schwierigkeiten bewußt geworden. Ein Schriftsteller ist also genötigt, in den Parkalleen herumzulaufen, Maulaffen feilzuhalten und die dicken Bäume zu zählen. Je müheloser nun das Leben ist, desto langweiliger sind diese Beschäftigungen, außer wenn man der Sekte der Quäker-Drechsler, der ehrenwerten Zunft der Zimmerleute oder der Vögelausstopfer angehört. Wenn man wie die Besitzer auf dem Lande bleiben müßte, würde man seine Langeweile mit irgendeiner geologischen, mineralogischen, entomologischen oder botanischen Sammelwut ausfüllen; ein vernünftiger Mensch jedoch erfindet sich kein Laster, um vierzehn Tage um die Ohren zu schlagen. Die prachtvollste Besitzung, die schönsten Schlösser werden also ziemlich schnell langweilig für Leute, für die sie nur zum Anschauen da sind. Die Schönheiten der Natur scheinen recht armselig, verglichen mit ihrer Darstellung auf dem Theater. Paris glitzert dann in all seinen Facetten. Ohne besonderes Interesse, das uns wie Blondet an Orte heftet, die »durch die Schritte einer gewissen Person geweiht und durch ihre Augen erhellt« werden, würde man die Vögel um ihre Flügel beneiden, um zu den ewigen, den ergreifenden Schauspielen von Paris und seinen herzzerreißenden Kämpfen zurückzukehren.
    Der von dem Journalisten geschriebene lange Brief muß scharfsichtige Geister vermuten lassen, daß er moralisch und physisch diese, den befriedigten Leidenschaften, dem gesättigten Glücksgefühl eigentümliche Phase erreicht hatte, welche alles mit Gewalt gemästete Geflügel vollkommen darstellt, wenn es, den Kopf auf den aufgetriebenen Fleischmagen gedrückt, auf seinen Beinen dasteht, ohne das verführerische Fressen weder anblicken zu können noch zu wollen. Auch Blondet verspürte, als sein furchtbarer Brief beendigt war, das Bedürfnis, die Gärten Armidens verlassen und die entsetzlich langweilige Lücke der drei ersten Tagesstunden ausfüllen zu müssen, denn die Zeit zwischen dem Frühstück und Diner gehörte der Schloßherrin, die sie kurz zu machen verstand. Denn einen geistreichen Mann, wie es Madame de Montcornet verstand, einen Monat lang bei sich auf dem Lande zu haben, ohne auf seinem Gesichte das falsche Lachen der Sattheit gesehen, ohne das heimliche Gähnen einer Langeweile, die sich immer verrät, erspäht zu haben, ist einer der schönsten Triumphe einer Frau. Eine Zuneigung, die derartige Versuchungen übersteht, muß ewig sein. Man begreift nicht, daß die Frauen sich nicht dieser Prüfung, um ihre Liebhaber beururteilen zu können, bedienen; einem Dummkopf, einem Egoisten und einem Kleingeist ist's unmöglich, sie zu bestehen. Philipp II. selber, der Alexander der Verstellung, würde während eines Landaufenthalts unter vier Augen von Monatsdauer sein Geheimnis verraten haben. Auch die Könige leben in einer ständigen Unruhe und geben niemandem das Recht, sie länger als eine Viertelstunde zu sehen.
    Trotz der zartfühlenden Aufmerksamkeiten einer der reizendsten Frauen von Paris fand Emil Blondet also das seit langem vergessene Vergnügen des Schulschwänzens wieder. Am Morgen nach dem Tage, wo sein Brief vollendet worden war, ließ er sich von François, dem ersten Kammerdiener, der zu seiner besonderen Bedienung bestimmt war, mit der Absicht wecken, das Tal der Avonne zu erforschen.
    Die Avonne ist ein kleiner Fluß, der oberhalb von Conches durch zahlreiche Sturzbäche, deren einige in Les Aigues entspringen, vergrößert, sich bei Ville-aux-Fayes in einen der bedeutendsten Nebenflüsse der Seine ergießt. Die geographische Disposition der etwa vier Meilen weit schiffbaren Avonne hatte seit Jean Rouvets Erfindung den Wäldern von Les Aigues, Soulanges und Ronquerolles, die auf dem Kamm der Hügel liegen, welche dieser reizende Fluß bespült, all ihren Wert verliehen. Der Park von Les Aigues nahm den weitesten Teil des Tales zwischen dem Flusse ein, welchen besagter Wald von Les Aigues von zwei Seiten einfaßt, und der großen Hauptstraße, welche alte krumme Ulmen am Horizont auf einem Hügelzug anzeigen, der mit dem der Avonner Berge, dieser Vorstufe des großartigen le Morvan genannten Amphitheaters, parallel läuft.
    Wie gewöhnlich dieser Vergleich auch klingen mag, der so in der Tiefe des Tales gelegene Park glich einem ungeheuren Fische, dessen Kopf das Dorf Conches und dessen Schwanz den Flecken Blangy berührte; denn mehr lang als breit dehnte er sich in der Mitte in einer Breite von etwa zweihundert
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