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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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dieser Stunde noch? sagte sich der Pariser, indem er mit Försterbräuchen sehr vertraut zu sein glaubte.
    Nach einer viertelstündigen Wanderung erreichte er die Quellen des Flusses auf der Höhe von Conches, und seine Augen schweiften da sehr entzückt über eine jener Landschaften, deren Beschreibung wie die Geschichte Frankreichs in tausend Bänden oder in einem einzigen gemacht werden müßte. Geben wir uns mit zwei Sätzen zufrieden.
    Ein bauchiger und mit verkrüppelten Bäumen überwobener Fels, dessen Fuß von der Avonne ausgehöhlt wurde, in einer Lage, in welcher er einige Aehnlichkeit mit einer riesigen, mitten durch das Wasser gelegten Schildkröte gleicht, bildet einen Brückenbogen, durch den der Blick auf eine kleine, spiegelklare Wasserfläche fällt, wo die Avonne stillzustehen scheint, und die in der Ferne Kaskaden mit schweren Felsen abschließen, wo kleine Weiden, Spiralfedern ähnlich, unter dem Druck der Gewässer ständig auf- und niederschnellen.
    Jenseits dieser Kaskaden die Flanken des Hügels, steil abfallend wie ein mit Moos und Heide überzogener Rheinfelsen und wie dieser mit Schieferlagen durchsetzt. Von ihnen ergießen sich hier und da weiße, brausende Sturzbäche, denen eine kleine, stets benetzte und immer grüne Wiese als Becken dient; als Kontrast zu dieser wilden und einsamen Natur sieht man dort dann die letzten Gärten von Conches auf der anderen Seite dieses pittoresken Chaos am Ende von Wiesen mit der Masse des Dorfes und seinem Glockenturme.
    Dies die Beschreibung; die aufgehende Sonne aber, die Reinheit der Luft aber, den betauten Acker aber, den Einklang von Gewässern und Bäumen ... müßt ihr euch selbst denken!
    Meiner Treu, das ist beinahe so schön wie in der Oper, sagte sich Blondet, indem er an der unschiffbaren Avonne hinaufstieg, deren Launen den geraden, tiefen und schweigenden Kanal der niederen Avonne ergaben, der von den hohen Bäumen des Waldes von Les Aigues eingeengt wurde.
    Blondet dehnte seinen morgendlichen Spaziergang nicht sehr weit aus, bald wurde er von einem der Bauern aufgehalten, die die in diesem Drama für die Handlung so notwendigen Statisten sind, daß man vielleicht zwischen ihnen und den Hauptrollen schwanken wird.
    Als er bei einer Felsgruppe anlangte, wo der Hauptquell wie zwischen zwei Tore eingepreßt ist, erblickte der geistreiche Schriftsteller einen Menschen, der sich so unbeweglich hielt, daß er die Neugierde eines Journalisten herausfordern müßte, wenn sie nicht Haltung und Anzug dieser beseelten Statue schon tief beunruhigt hätten.
    Er erkannte in dieser bescheidenen Person einen der von Charlets Stift bevorzugten Greise wieder, der den Kommißsoldaten dieses Homers der Truppen durch die Solidität eines Knochengerüsts ähnelte, das Armut zu ertragen imstande ist, und dank seinem rotgebrannten, ins Violette spielenden, runzeligen Gesichte, das unfähig zur Resignation ist, an seine unsterblichen Straßenkehrer erinnerte. Ein Hut aus derbem Filz, dessen morsche Ränder an die Kopfform angeflickt waren, schützten den fast kahlen Kopf vor den Witterungsunbilden; darunter hervor blickten zwei Haarflocken, für die ein Maler vier Franken die Stunde bezahlt haben würde, um den blütenweißen Schnee, der wie der aller klassischen Gottväter angeordnet war, kopieren zu können. An der Weise, wie die Wangen eingezogen waren und den Mund fortsetzten, erriet man, daß der zahnlose Greis sich öfters an das Faß als an den Backtrog hielt. Sein spärlicher weißer Bart verlieh durch die starren kurzgeschnittenen Haare seinem Profile etwas Drohendes. Seine, für sein ungeheures Gesicht allzu kleinen Augen, die schief standen wie die des Schweins, drückten List und Faulheit zugleich aus; in diesem Augenblick jedoch ging ein Sprühen von ihnen aus, so sehr funkelte der Blick gerade auf den Fluß. Als ganzen Anzug trug der arme Mensch eine Bluse, die früher mal blau gewesen war, und ein Beinkleid aus jenem derben Leinen, das man in Paris zum Packen benutzt. Jeder Städter würde gebebt haben, wenn er die zerbrochenen Holzschuhe an seinen Füßen gesehen hätte, die selbst des Strohes zur Milderung der Risse entbehrten. Sicherlich taugten Bluse und Beinkleid nur noch für die Bütte einer Papiermühle.
    Indem Blondet diesen ländlichen Diogenes beschaute, gab er die Möglichkeit jenes Bauerntyps zu, den man auf alten Gobelins, alten Gemälden und alten Skulpturen sieht, und der ihm bis dahin phantastisch vorgekommen war. Er verurteilte
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