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Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)

Titel: Szenen aus dem Landleben - Die Bauern (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Orgien, die man ihm zum Vorwurf machte, überlastet war, sah er im Geiste eine edle und schöne Frauengestalt, wie man eine unversehrt gebliebene, reine Statue inmitten trostlosester Ruinen sieht. Sein Portier überreichte ihm einen schwarzversiegelten Brief, worin ihm die Gräfin von Montcornet den Tod des Generals anzeigte, der wieder in den Dienst zurückgekehrt war und eine Division kommandiert hatte. Sie war seine Erbin und hatte keine Kinder. Der wiewohl würdige Brief kündigte Blondet an, daß die vierzigjährige Frau, die er, als sie jung war, geliebt hatte, ihm schwesterlich die Hand und ein beträchtliches Vermögen anbot. Vor einigen Tagen hat die Heirat der Gräfin von Montcornet mit dem zum Präfekten ernannten Monsieur Blondet stattgefunden. Um sich in seine Präfektur zu begeben, fuhr er auf der Straße, wo ehemals Les Aigues gestanden hatte, und ließ an der Stelle halten, wo einst die beiden Pavillons waren, da er die Gemeinde Blangy besuchen wollte, die für die beiden Reisenden mit so süßen Erinnerungen verknüpft war. Das Land war nicht wieder zu erkennen. Die geheimnisvollen Wälder, die Parkalleen, alles war niedergelegt worden; das Land glich der Musterkarte eines Schneiders. Als Sieger und Eroberer hatte der Bauer Besitz von dem Gute ergriffen. Es war bereits in mehr als tausend Parzellen geteilt und die Bevölkerung zwischen Blangy und Conches hatte sich verdreifacht. Die Umwandlung des schönen, so gepflegten, einst so wonnevollen Parks in Kulturland hatte den Jagdpavillon, der die Villa, das »Buen-Retiro« der Dame Isaure Gaubertin geworden war, freigelegt. Es war das einzige stehengebliebene Gebäude, das die Landschaft, oder, besser gesagt, die die Landschaft ersetzende Kleinkultur beherrschte. Der Bau glich einem Schlosse, so elend waren die im Umkreise – wie eben Bauern bauen – aufgeführten Häuserchen.
    »Das ist der Fortschritt!« rief Emile. »Das ist eine Seite aus Jean-Jacques ›Gesellschaftsvertrag‹! Und ich bin vor die soziale Maschine gespannt, die auf diese Weise funktioniert! ... Mein Gott! Was wird binnen kurzem aus den Königen werden, was wird bei einer solchen Lage der Dinge in fünfzig Jahren aus den Völkern selber?«
    »Du liebst mich, du bist an meiner Seite, ich finde die Gegenwart sehr schön und kümmere mich nicht sehr um eine so ferne Zukunft,« antwortete ihm seine Frau.
    »Es lebe die Gegenwart an deiner Seite!« sagte fröhlich der verliebte Blondet, »und zum Teufel mit der Zukunft! ...«
    Dann gab er dem Kutscher ein Zeichen zum Weiterfahren, und während die Pferde sich im Galopp entfernten, nahmen die Jungvermählten den Lauf ihrer Flitterwochen wieder auf.

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