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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart
Autoren: William Gibson
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hinüberblickte, »was mit den Tests ist. Es ist schon eine Weile her.«
    »Was für Tests?«
    »Den Urintests«, sagte Milgrim.
    »Ich glaube, die haben sie abgesetzt. Ich habe jedenfalls nichts mehr davon gehört. Im Moment ändert sich sowieso alles.« »Bei Blue Ant?«
    Aldous nickte. »Neue Besen«, sagte et ernst, nickte dann seinem Headset zu und glitt lautlos davon.
    »Wir haben Ihr Mundwasser gefunden«, sagte Rausch. »In New York. Wird direkt in Ihre Kabine gebracht.« Offenbar fühlte er sich in Milgrims Gegenwart äußerst unwohl, aber das war nichts Neues.
    »Aldous hat gesagt, dass sich bei Blue Ant viel verändert hat. ›Neue Besen‹, hat er gesagt.«
    Rausch hob die Schultern. »Alle, auf die es ankommt und die über die Runden gekommen sind, befinden sich an Bord dieses Flugzeugs«, erwiderte er.
    »Das ist kein Flugzeug«, sagte Milgrim.
    »Von mir aus«, sagte Rausch gereizt.
    »Wissen Sie, wann wir in Island eintreffen?«
    »Morgen Früh. Die meiste Zeit sind wir in der Gegend herumgekreuzt, um dieses Ding einzufahren.«
    »Ich habe fast keine Medikamente mehr.«
    »Während der letzten drei Monate waren das sowieso nur Placebos. Mit Ausnahme der Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel.« Rausch beobachtete ihn genau, um seine Reaktion auszukosten.
    »Warum sagen Sie mir das jetzt?«
    »Bigend hat allen erklärt, dass Sie künftig den Status eines normalen Menschen zugesprochen bekommen. Zitat Ende. Bitte entschuldigen Sie mich.« Er verschwand in der Menge.
    Milgrim griff mit der Hand in die Tasche, um die fast leere Pillenpackung zu berühren. Keine Anweisungen über Datum und Uhrzeit in winziger Schrift mehr. »Aber ich mag Placebos«, sagte er leise, und dann wurde um ihn herum laut geklatscht.
    Die Dottirs und ihr unfreundlich dreinblickender Vater kamen die Stufen aus dickem Milchglas herunter. Milgrim wusste von Fiona, dass ihr Album gerade irgendeinen Preis gewonnen hatte. Mit ihren Hermelinfrisuren flankierten sie ihren mürrischen Vater. Dem inzwischen, gemeinsam mit Bigend, ein Großteil von Island gehörte, wenn auch fast niemand wusste, wie es dazu gekommen war. Schließlich war es Bigend gewesen, der diese jungen isländischen Finanzcowboys erst auf den Geschmack gebracht hatte, in Onlinebanking zu investieren. »Er hat sie dazu angestiftet«, hatte Fiona in der Kabine gesagt, in Milgrims Armen. »Er wusste genau, was passieren würde. Die meisten von denen waren so auf E, dass sie nicht mehr wussten, wo oben und unten war. Was auch nicht geschadet hat.«
    Ein Toast wurde ausgebracht. Milgrim beeilte sich, zu Fiona und seinem Glas Perrier zurückzugelangen.
    Als er ihre Hand nahm, hastete Pamela Mainwaring an ihnen vorbei auf Bigend zu.
    »Hi, Mom«, sagte Fiona.
    Pamela lächelte, nickte, sah Milgrim nur ganz kurz in die Augen und ging weiter.

87. Die andere Seite
    Im Uhrzeigersinn dieser Traum: Marmor aus dem 18. Jahrhundert, der abgenutzte, unebene, wächserne Stein, in seinen Tiefen wolkiger Raucherspeichel, die Kanten der Stufen mit etwas so Leblosem wie Gips ausgebessert. Wie die angerissenen, durchschnittenen, geklammerten Abschnitte eines geliebten Körperteils, von einer Reise zurückgekehrt: Operation, Katastrophe, eine Treppe, höher sogar als diese. Wendeltreppe, westlich. Sie steigt hinauf und lässt das Foyer hinter sich, Streifen von Roberts Anzug, den Türkenkopf auf dem Tacker, das geschnitzte Dickicht des Schreibtischs, in dem sich vermutlich geheime Frivolitäten vollziehen.
    Zu diesem unbesuchten, unbekannten Stockwerk, der Teppich geblümt und verblichen, altmodisch unter hell leuchtenden Lampen, eine archaische, gelenkte Verbrennung von Glühfäden. An den Wänden verschiedene verrückte Landschaften, menschenleer, die - wenn auch oft nur undeutlich - vom geisterhaften Turm des Burdsch Chalifa heimgesucht werden.
    Und am anderen Ende eines riesigen, vielleicht endlosen Raumes, in einem warmen Lichtkreis, eine sitzende Gestalt in einem blauen Anzug. Als diese sich umdreht, das Fell fahl, die Schnauze rötlich, die Zähne wie lackiertes Holz ...
    Sie wacht auf, neben sich den ruhig atmenden Garreth, das Zimmer abgedunkelt, die Laken kühl an ihrer Haut.

Dank an:
    Meine Frau Deborah und meine Tochter Ciaire, meine Erstleser und aufmerksamen Kritiker vor Ort, wie stets.
    Susan Allison, der dieses Buch gewidmet ist, die mich seit dem Beginn meiner Karriere als Lektorin begleitet und die dieses Mal wieder Großartiges geleistet hat.
    Wie natürlich auch Martha
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