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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart
Autoren: William Gibson
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einen Moment glaubte Milgrim, das London Eye zu sehen; dann hielt Fiona ihr iPhone über das seine.

83. Verschwindet
    »Was war denn das?«, fragte sie.
    »Milgrim«, erwiderte er mit einem Kopfschütteln. »Er hat Gracie getasert. Gut, dass ich in den Ruhestand gehe. Milgrim hat uns gerade den Arsch gerettet.«
    »Milgrim hatte den Taser?«
    »An seinem Ballon. Hallo? Schätzchen?« Zu seinem Headset. »Bring uns über den Wagen. Und beeil dich, du hast nicht mehr viel Saft.«
    »Auf wenn wollte Gracie überhaupt schießen?«
    »Zuerst auf Chombo, vermute ich. Damit hätte er Big End am meisten geschadet. Entweder weil er gesehen hat, dass die Sache aus dem Ruder läuft, oder weil er das von vornherein so geplant hatte. Anfangs dachte ich ja, er würde sich an die Spielregeln halten und wollte Milgrim nur in seine Gewalt bringen, um uns zu zeigen, wo es langgeht. Ich hatte gehofft, er würde nicht mitten in London durchdrehen, an einem öffentlichen Ort, in finsterster Nacht. Wirklich verrückt. Aber Milgrims Geheimagentin glaubt, dass er gerade eine Midlife-Crisis durchmacht. Wenn er abgedrückt hätte, hätte es hier innerhalb von kürzester Zeit vor Polizisten nur so gewimmelt. Dann wäre er zwar jetzt da, wo wir ihn haben möchten, aber wir wahrscheinlich auch.«
    »Der Typ handelt mit Waffen. Hast du gedacht, er würde mit leeren Händen kommen?«
    »Waffenhändler sind Geschäftsleute. Nette alte Männer, größtenteils. Ich wusste, dass er sich möglicherweise in einen Cowboy verwandeln wird.« Er zuckte mit den Achseln. »Aber was hätte ich dagegen tun sollen? Manchmal liege ich eben daneben.« Er grinste. »Aber Milgrim hat ihn ordentlich unter Strom gesetzt. Er hat sogar seine Knarre liegen lassen. Sieht so aus, als wollte er möglichst schnell Land gewinnen.« Er hob eine Hand, legte den Kopf schräg und lauschte. »O Mann. Sag, dass das nicht wahr ist! Verdammter Mist!« »Was ist?«
    »Ajay hat sich den Fuß verstaucht. In einem Sandkasten. Chombo ist weggerannt.« Er atmete tief durch. »Du erlebst mich nicht gerade in Hochform, was?«
    Etwas krachte von hinten gegen den Lieferwagen. »Rühr dich nicht vom Fleck!«, rief Heidi, ihre Stimme gedämpft, aber durch die Stahltür und die beiden Drillichbahnen deutlich hörbar.
    Garreth warf Hollis einen vielsagenden Blick zu. »Sie ist draußen!«, sagte er.
    »Ich weiß. Ich wollte dich nicht stören. Ich hatte gehofft, sie geht nur pinkeln.«
    Der lange Reißverschluss ging auf, und fast im selben Moment wurde Bobby Chombo durch den Spalt befördert, sein Gesicht tränennass. Schluchzend fiel er auf den auberginefarbenen Boden. Heidis Kopf tauchte am oberen Ende des Spalts auf. »Den wolltet ihr doch, oder?«
    »Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, wie schön du bist, Heidi?«, entgegnete Garreth.
    »Hat sich in die Hosen gemacht«, sagte Heidi.
    »Da ist er in guter Gesellschaft, glaub mir«, sagte Garreth und schüttelte den Kopf.
    »Wo ist Ajay?«, fragte Heidi mit gerunzelter Stirn.
    »Der lässt sich von unserem Gurkha huckepack nehmen. Er wollte Charlie schon immer mal näher kennenlernen.« Garreth wandte sich wieder seinen Bildschirmen zu.
    Milgrims Kamera zeigte nur ein paar stahlgraue Wolken, die von einem rosafarbenen Schimmer gesäumt waten; der grünliche Farbton war völlig verschwunden. Dafür war in Fionas Fenster eine Menge los. Männer stiegen in ein schwarzes Auto.
    »Verschwindet«, sagte Garreth zu dem Wagen auf dem Bildschirm und wedelte mit der Hand. »Macht schon!« Der Wagen fuhr aus dem Bild hinaus.
    »Ich muss euch jetzt alle bitten, für einen Moment rauszugehen«, sagte Garreth.
    »Warum?«, fragte Heidi.
    »Weil ich eine ziemlich schmutzige Angelegenheit regeln muss«, sagte er und zog ein Handy hervor, das genauso aussah wie das, mit dem er mit der Geheimagentin telefoniert hatte. »Und weil ich nicht möchte, dass er« - ein Nicken in Chombos Richtung - »im Hintergrund rumheult. Das würde einen falschen Eindruck erwecken.«
    Hollis kniete sich neben Chombo. »Bobby? Hollis Henry. Wir kennen uns aus Los Angeles. Erinnerst du dich?«
    Chombo zuckte zurück, die Augen weiterhin fest geschlossen.
    Sie sang die etsten Takte von »Hard to Be One«, wahrscheinlich zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt. Dann probierte sie es erneut, und dieses Mal bekam sie es hin, jedenfalls fast.
    Er verstummte, erschauerte, öffnete die Augen. »Hast du zufällig so was wie eine Scheißzigarette?«, fragte er Hollis.
    »Tut mir leid«,
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