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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me
Autoren: Dietmar Sous
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konnte, lasen Betty und ich Maya den ganzen Tag vor, dabei hielten wir ihre Hand. Nachdem wir zwei Harry-Potter-Bücher durch hatten, ging Betty zu Brigitte und einer alten Süddeutschen über, ich las aus Ashley Kahns Impulse! Das Label, das Coltrane erschuf vor, einschließlich der umfangreichen Diskografie. Besonders von diesem Buch fühlte sich Frau Evers so gestört, dass sie bald gesundete und das Zimmer räumte.
    Am siebzehnten Tag nach dem Unfall bekam Maya hohes Fieber. Sie erbrach grünliche Flüssigkeit. Draußen die Oktobersonne, Bäume mit Blattgold. Sweet About Me, Nothing Sweet About Me, Yeah.
    Maya starb an einem Samstagvormittag um 11 Uhr 19. Betty konnte nicht bei ihr sein, sie war erkältet und musste wegen der Ansteckungsgefahr im Hotel bleiben. Aber das Ehepaar Evers war bei Mayas letzten Minuten dabei. Frau Evers vermisste ein Armband. Ich hielt Mayas Hand, erzählte ihr von den Schmetterlingen in unserem Garten, die darauf warteten, dass wir alle endlich nach Haus kämen. Frau Evers öffnete Schränke, kroch ganz verzweifelt unter die beiden Betten. Weil sie auf meine wütenden Blicke nicht reagierte, forderte ich sie mit lauten Worten auf zu verschwinden. Herr Evers räusperte sich ausführlich. Da fingen die Maschinen an zu schreien. Ich drückte Mayas Hand, viel zu fest, rief ihren Namen. Herr Evers setzte zu einer Erklärung an, weshalb das Armband so eine große Bedeutung für seine Frau habe. Ich drückte den Alarmknopf, brüllte um Hilfe.
    » Oje«, sagte Frau Evers, » oje.«
    Sweet About Me, Nothing Sweet About Me, Yeah, Sweet About Me, Nothing Sweet About Me, Yeah, Sweet About Me, Nothing Sweet About Me, Yeah, Sweet About Me, Nothing Sweet About Me, Yeah.
    In amerikanischen Filmen geht man einfach in eine Bar, am besten um die Zeit, wenn Aschenbecher und Gläser eingesammelt werden, späte Gäste vergeblich um einen letzten Drink betteln. Die Jukebox spielt, um den Abschied zu erleichtern, was Schräges von Charlie Parker oder ein Seemannslied. Man sagt: » Schönen Gruß von Archie. Ist das Schiff im Hafen?« Der Barmann, schlecht rasiert, Halbglatze, ein schmuddeliges Spültuch über der linken Schulter, kratzt sich am Sack und fragt: » Wie hieß Archies Großmutter mütterlicherseits?«
    » Alessandra Elisabetta Renata Petronella.«
    Der Barmann nickt nicht, verlangt bloß die Kohle. Nachdem er die Scheine mit der Diskretion und Fingerfertigkeit eines Kassierers von illegalen Pferdewetten gezählt hat, reicht er etwas über den Tresen, das in einen Stofffetzen eingewickelt ist. Ein Grinsen folgt, das ein reparaturbedürftiges, aber durch zwei Goldzähne geadeltes Gebiss offenbart, dann der Satz: » Lassen Sie sich hier nie mehr blicken, Mister. Okay?«
    Sweet About Me. Ich musste kein Geld ausgeben, hatte keinen Mitwisser, schaffte es aber nicht, den Schalldämpfer auf den Lauf zu schrauben. Wäre ich doch zur Bundeswehr gegangen, statt zu verweigern! Egal, ich schleuderte das Drecksdings in die Ecke. Sweet About Me hämmerte es von oben. Es war der Tag vor Heiligabend. Die Uhr auf meinem Schreibtisch zeigte kurz nach eins.
    Auch im Treppenhaus konnte man Mayas Lied in großer Lautstärke hören. Die beiden Arbeiter kamen mir aus Frau Hauensteins Wohnung entgegen und fragten, wo man in der Nähe billig was essen könne, Gyros oder Pizza.
    » Keine Ahnung«, antwortete ich atemlos und lief weiter die Treppe hoch.
    Ich läutete ununterbrochen, hörte, wie sich Tom und Heike in der Diele fragten, wer das sein könne. Tom öffnete die Tür, Sweet About Me jetzt ganz laut. Toms Grinsen ganz nah.
    » Schieß doch mit deinem Spielzeugpistölchen, du Memme!«
    Tom hetzte einen der beiden Köter auf mich, der sprang mich an, deshalb ging der erste Schuss daneben. Er kratzte eine Menge Putz aus der Wand. Der Rückstoß, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte, war so stark, dass mir die Waffe beinahe aus der Hand gefallen wäre.
    Aber der zweite Schuss saß. Die Kugel schickte das Vieh ins ewige Leben. Von wegen eingerostet, verstopft! Richtige Qualitätsware hatte Oswald Brass mir da überlassen. Aber laut war das Ding, meine empfindlichen Ohren vermissten den Schalldämpfer sehr.
    Tom rannte in die Wohnung, ich folgte ihm, da machte er kehrt, ging schreiend und mit Kung-Fu-Bewegungen auf mich los. Peng, schon hatte Tom einen richtigen Krater im Bauch. Er knallte gegen ein Ikea-Regal, glotzte blöde auf seine herausgerutschten Innereien, die er vergeblich wieder reinzustopfen
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