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Susanne Barden 04 - Weite Wege

Susanne Barden 04 - Weite Wege

Titel: Susanne Barden 04 - Weite Wege
Autoren: Helen D. Boylston
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sich an die Fenster.
    Draußen war es noch hell genug, daß man alles deutlich erkennen konnte. Mit bleichen Gesichtern starrten die Bewohner von Springdale in ihr Tal hinab. Eine hohe weiße Woge brandete durch ihren Fluß. Er trat über die Ufer und verwandelte sich rasch in einen breiten See, der in dem schwindenden Licht des Tages wie mattes Silber glänzte. In tiefem Schweigen beobachteten die Leute, wie die glänzende Fläche ihre Hauptstraße zudeckte. Das Wasser überflutete ihre Gärten und kroch über die Stufen ihrer Häuser, auf denen sie an warmen Sommertagen zu sitzen pflegten.
    Und dann begann hoch oben über ihren Köpfen plötzlich wieder der Sturm zu heulen, und der Regen stürzte herab.
    »Geht alle hinein!« rief Bill.
    Sie gehorchten schweigend. In ruhiger Ordnung kehrten sie in die Kirche zurück, während über ihnen, wie von einer Geisterhand geschwungen, wieder die Glocken zu läuten begannen. Endlich schloß sich die Tür hinter ihnen, schloß sie ein in das knackende, bebende Haus und schied sie von der Dunkelheit, von dem gewaltig niederströmenden Regen und dem von neuem einsetzenden rasenden Sturm. Aus alter Gewohnheit gingen die Menschen zu ihren Familienstühlen und setzten sich still auf ihre Plätze.
    Sie brauchten nicht zu sehen, was unten im Tal vorging, denn das wußten sie auch so. Das Wasser würde bis zu den Fenstern emporsteigen und dann in die Häuser stürzen. Es würde ihre Gardinen beschmutzen und über die Teppiche in ihre Wohnzimmer laufen; es würde ihre Tische überfluten und ihre mühsam erworbenen Radioapparate verderben. Es würde in ihre gemütlichen Küchen dringen, in ihre Herde; es würde eingemachte Früchte und andere Vorräte von den Borden reißen. Es würde ihre Scheunen umspülen, auf ihren Tennen glänzen und sich in ihre Futterkästen ergießen. Räucherkammern und Schweinekoben würden von der Strömung mitgerissen werden oder sich an Dächern verhaken. Das schmutzige Wasser würde schließlich auch in die oberen Räume dringen. Es würde Federbetten, Bettwäsche und Steppdecken verderben. Vielleicht gelangte es sogar bis in die Bodenkammern und plätscherte mit einer Staubschicht auf der Oberfläche zwischen alten Koffern, verrotteten Sätteln und Bohnenfässern umher. Aber die Häuser würden standhalten. Sie waren auf starken Fundamenten erbaut und würden nicht wanken. Die Menschen trösteten sich gegenseitig. Wenn es auch lange dauern würde, das furchtbare Durcheinander zu entwirren - die Häuser würden stehenbleiben.
    Unaufhörlich bimmelte die Glocke über ihren Köpfen. Der große Kronleuchter schaukelte heftig, wenn die Kirche unter den Sturmstößen erbebte, so daß die Verwundeten, die am Mittelgang saßen, plötzlich in Schatten getaucht wurden und die Seitenstühle erhellt wurden, auf denen die Kinder schliefen. Aber der Sturm war nicht mehr so stark wie anfangs und auch nicht mehr so beständig.
    Susy und Kit eilten geschäftig im Mittelgang hin und her, rückten verrutschte Verbände zurecht, lösten verkrampfte Glieder, brachten Durstenden frisches Wasser und Frierenden erhitzte Steine. Bill saß mit Frau Ventress neben ihrem bewußtlosen Mann. Freddie starrte ihn aus respektvoller Entfernung an. Marianna wanderte unruhig umher und setzte sich schließlich neben Lot Phinney, der alt und müde aussah.
    Nachdem die Verwundeten und die Kinder versorgt worden waren, suchten Anne und Martha Edgett Corned beef, getrocknete Bohnen und Brot aus den Vorräten heraus und beluden Elias mit Konservendosen, bis er beinahe zusammenbrach. Anne hatte ihre größten Bratpfannen mitgebracht, und darin wurden Bohnen und Fleisch nun angewärmt.
    Der Sturm ließ merklich nach. Das Läuten der Glocke wurde dünner und hörte schließlich ganz auf. Aber der Regen strömte mit unverminderter Heftigkeit herab.
    Nachdem Marianna ihre Portion Brot und Corned beef erhalten hatte, schlich sie unauffällig zur hinteren Kirchentür und schlüpfte hinaus, ehe Susy sie zurückhalten konnte. Zehn Minuten später kehrte sie mit klatschnassen Haaren zurück, den Teller leer und vom Regen reingewaschen in der Hand.
    Freddie stellte sich ihr entrüstet in den Weg. »Bist du draußen gewesen?«
    »Das siehst du doch.«
    Er preßte die Lippen zusammen. »So eine Gemeinheit!«
    »Wieso?«
    »Der Doktor hat ausdrücklich gesagt, es soll niemand hinausgehen.« Er starrte auf ihren leeren Teller. »Was wolltest du mit dem Teller?«
    »Das geht dich nichts an. Aber wenn du es
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