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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story
Autoren: Gary Shteyngart
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schreiben (früher mal Italiens größter Fernsehsender), aber vor allem die schwindenden Vermögen ihrer Eltern vergeuden. Das bewundere ich so an jungen Italienern: das langsame Verkümmern jeglichen Ehrgeizes, die Erkenntnis, dass das Beste bereits weit hinter ihnen liegt. (Eine italienische Whitney Houston hätte vielleicht gesungen: «Ich glaube, die
Eltern
sind unsere Zukunft.») Von ihrem eleganten Niedergang können wir Amerikaner eine Menge lernen.
    In Fabrizias Gegenwart werde ich immer schüchtern. Ich weiß genau, sie mag mich nur, weil ich «unterhaltsam» und «witzig» . (will sagen: jüdisch) bin und schon eine ganze Weile kein einheimischer Mann mehr ihr Bett gewärmt hat.Aber da ich sie nun an den Otter der Amerikanischen Restaurationsregierung verraten hatte, sah ich Konsequenzen auf sie zukommen. Die italienische Regierung ist die letzte in Westeuropa, die uns noch in den Hintern kriecht.
    Jedenfalls konnte ich mich auf der Party kaum vor Fabrizia retten. Zuerst küssten sie und eine dicke britische Filmemacherin mich abwechselnd auf die Augenlider. Und als sie danach einen dieser ungeheuer wütenden italienischen Äppärät-Chats auf der Couch führte, spreizte sie die Beine, um mir ihren Neonslip zu zeigen, und ihr dichtes mediterranes Schamhaar war deutlich zu sehen. Sie unterbrach ihr geiles Gekreische und rasendes Getippe und sagte auf Englisch zu mir: «Du bist viel dekadenter geworden, seit ich dich kennengelernt habe, Lenny.»
    «Ich gebe mir Mühe», stammelte ich.
    «Gib dir mehr Mühe», sagte sie. Sie ließ die Beine wieder zusammenklappen, was mich fast umhaute, und ging dann abermals auf ihren Äppärät los. Ich wollte diese aparten vierzigjährigen Brüste noch einmal berühren. Ich machte ein paar langsame hüftkreisende Schritte auf sie zu und klimperte mit den Wimpern (soll heißen, ich zwinkerte heftig), was ein Versuch sein sollte, mit einem Schuss Ostküstenironie ein heißes Cinecittà-Sternchen aus den Sechzigern darzustellen. Fabrizia zwinkerte zurück und steckte sich eine Hand in den Slip. Wenige Minuten später öffneten wir die Tür zu ihrem Schlafzimmer, wo wir auf ihren dreijährigen Sohn stießen, der sich unter einem Kissen versteckte und von einer Rauchwolke aus dem Wohnzimmer umfangen war. «Scheiße», sagte Fabrizia, als sie sah, wie der kleine Asthmatiker übers Bett auf sie zukrabbelte.
    «Mamma»
, flüsterte das Kind.
«Aiutami.»
    «Katia!», schrie sie. «
Puttana!
Sie sollte doch auf ihn aufpassen. Bleib, wo du bist, Lenny.» Sie machte sich auf dieSuche nach dem ukrainischen Kindermädchen, und ihr kleiner Junge stolperte durch den filmreifen Rauch hinterher.
    Ich ging in den Flur, der einem wie die Ankunftslounge am Flughafen Fiumicino vorkam: Paare lernten sich kennen, taten sich zusammen, verschwanden in Zimmern, kamen aus den Zimmern wieder heraus, knöpften Blusen und Hemden zu, zurrten Gürtel fest, trennten sich wieder. Ich zog meinen veralteten Äppärät mit der Retro-Walnussoberfläche aus der Tasche, auf dessen staubigem Display immer noch träge Daten blinkten, und versuchte herauszufinden, ob sich irgendwelche Vermögende Privatpersonen im Raum aufhielten – letzte Gelegenheit, neue Klienten für meinen Chef Joshie zu gewinnen, nachdem ich im Lauf eines ganzen Jahres nur
einen
aufgetrieben hatte   –, aber kein Gesicht war berühmt genug, um auf meinem Display seinen Niederschlag zu finden. Ein mehr oder weniger bekannter Medienhengst, Künstler aus Bologna, selbst mürrisch und schüchtern, sah seiner Freundin zu, wie sie lachhaft mit einem weniger versierten Menschen flirtete. «Ich arbeite ein bisschen, amüsiere mich ein bisschen», sagte jemand auf Englisch mit starkem Akzent, gefolgt von niedlichem, hohlem Frauenlachen. Eine gerade erst in Italien angekommene junge Amerikanerin, Yogalehrerin für Promis, wurde von einer viel älteren Einheimischen, die ihr immer wieder mit einem langen, lackierten Fingernagel aufs Herz stach und sie persönlich der U S-Invasion in Venezuela bezichtigte, zum Weinen gebracht. Ein Bediensteter kam mit einem großen Tablett marinierter Anchovis herein. Ein kahlköpfiger Mann, den alle «Cancer Boy» nannten, trottete niedergeschlagen der afghanischen Prinzessin hinterher, an die er sein Herz verloren hatte. Ein ansatzweise berühmter RA I-Schauspieler wollte mir erzählen, wie er in Chile ein Mädchen aus gutem Hause geschwängert hatte und dannzurück nach Rom geflohen war, ehe die chilenischen
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