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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story
Autoren: Gary Shteyngart
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wir auf dem besten Weg in die untere Mittelschicht. Damals fuhren meine Eltern mich immer in ihrem rostigen Chevrolet Malibu Classic durch noch ärmere Stadtviertel, damit wir einerseits über die komischen, abgerissenen, braunhäutigen Leute lachen konnten, die da in Sandalen herumhuschten, und andererseits wichtige Lektionen darüber lernten, was Scheitern in Amerika bedeutete. Nachdem meine Eltern Mrs.   Fine von diesen Ausflügen nach Corona und in die sichereren Gegenden von Bedford-Stuyvesant erzählt hatten, begannen sich ihre und meine Familie zu entzweien. Ich weiß noch, wie meine Eltern «grausam» im Englisch-Russisch-Wörterbuch nachschlugen und schockiert waren, dass unsere amerikanische Mama uns für genau das hielt.
    «Erzähl mir alles!», sagte Nettie Fine. «Was hast du so in Rom getrieben?»
    «Ich arbeite in der Kreativwirtschaft», sagte ich stolz. «Unbeschränkte Lebensverlängerung. Wir werden Menschen helfen, ewig zu leben. Ich bin auf der Suche nach europäischen VPPs – also Vermögenden Privatpersonen   –, die unsere Klienten werden sollen. Wir nennen sie ‹Lebensfreunde›.»
    «Meine Güte!» Mrs.   Fine hatte offensichtlich keinen Schimmer, wovon ich redete, doch diese Mutter von drei höflichen Absolventen der University of Pennsylvania konnte nichts als lächeln und ermutigen, ermutigen und lächeln. «Das klingt doch nach – nach etwas!»
    «Ist es auch», sagte ich. «Aber ich glaube, ich stecke hier ein bisschen in Schwierigkeiten.» Ich erklärte ihr das Problem, das ich gerade mit
Welcome Back, Partner
hatte. «Vielleicht glaubt der Otter, dass ich mit Somaliern befreundet bin. Dabei habe ich ‹So Italienern› gesagt.»
    «Zeig mal deinen Äppärät», forderte sie mich auf. Sieschob die Brille hoch, sodass die Anfang-Sechzig-Falten sichtbar wurden, die ihr Gesicht genau so aussehen ließen, wie es schon am Tag ihrer Geburt angelegt gewesen war – ein Trost für jedermann. «FEHLERCODE IT/​FC-GS/​ZUGRIFF VERWEIGERT», sagte sie seufzend. «Auweia, Freundchen. Du bist kaltgestellt.»
    «Aber wieso?», rief ich. «Was habe ich getan?»
    «Sschhht», sagte sie. «Ich werde deinen Äppärät neu starten. Versuchen wir es mit
Welcome Back, Partner
noch mal.»
    Etliche Anläufe wurden unternommen, aber immer wieder erschien der erstarrte Otter mit der Fehlermeldung. «Wann ist denn das passiert?», fragte sie. «Was hat dieses
Etwas
dich zuletzt gefragt?»
    Ich zögerte, denn jetzt kam ich mir vor der Retterin meiner Familie noch nackter vor. «Er wollte den Namen der Italienerin wissen, mit der ich ein Verhältnis hatte», sagte ich.
    «Gehen wir mal ein paar Schritte zurück», sagte Nettie, ganz die Problemlöserin. «Als der Otter dich aufgefordert hat, das ‹Jetzt hält uns nichts mehr auf!›-Ding zu abonnieren, hast du es gemacht?»
    «Ja, habe ich.»
    «Gut. Und wie sieht es mit deiner Bonität aus?» Ich nannte ihr die Punktzahl. «Schön. Ich würde mir an deiner Stelle keine Sorgen machen. Wenn du am JFK angehalten wirst, gibst du ihnen meine Kontaktdaten und sagst, sie sollen
sofort
mit mir in Verbindung treten.» Sie gab ihre Koordinaten in meinen Äppärät ein. Als sie mich umarmte, spürte sie, wie meine Knie vor Angst schlotterten. «Ach, Schätzchen», sagte sie, und eine warme Stammesträne tropfte von ihrem Gesicht auf meines. «Mach dir keine Sorgen. Das kommt schon in Ordnung. Ein Mann wie du. Kreativwirtschaft. Ichhoffe nur, mit der Bonität deiner Eltern sieht es gut aus. Da sind sie den ganzen Weg nach Amerika gekommen, und wofür?
Wofür?
»
    Aber ich machte mir Sorgen. Wie auch nicht? Kaltgestellt von einem Scheißotter. Herrgott. Ich nahm mir vor, mich zu beruhigen, die letzten zwanzig Stunden meines einjährigen europäischen Idylls zu genießen und mich womöglich mit saurem Montepulciano heftig zu betrinken.
     
    Mein letzter Abend in Rom, Tagebuch, begann wie üblich. Wieder mal eine halbherzige Orgie bei Fabrizia, der Frau, mit der ich ein Verhältnis hatte. Ich bin dieser Orgien nicht wirklich müde. Wie jeder New Yorker würde ich für Immobilien alles tun, und ich liebe diese Ende des 19.   Jahrhunderts erbauten Wohnhäuser rund um die riesige, von Palmen bestandene Piazza Vittorio mit dem Blick auf die grünlichen Albaner Berge in sonniger Ferne. An meinem letzten Abend bei Fabrizia kreuzte der erwartbare Haufen Vierzigjähriger auf, reiche Kinder von Cinecittà-Regisseuren, die gelegentlich Drehbücher für die erfolglose RAI
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