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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story
Autoren: Gary Shteyngart
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Behörden ihn zur Rechenschaft ziehen konnten. Doch als jemand auftauchte, der wie er aus Neapel stammte, sagte er: «Entschuldige uns, Lenny, wir müssen Dialekt sprechen.»
    Ich wartete weiter auf meine Fabrizia, knabberte unterdessen an einer Sardelle und hatte das Gefühl, in ganz Rom könnte es keinen notgeileren Neununddreißigjährigen geben – und das will einiges heißen. Vielleicht war meine Gelegenheitsgeliebte während unserer kurzen Trennung einem anderen in die Arme gefallen. Auf mich wartete in New York kein Mädchen, ich war mir nicht mal sicher, ob nach meinem Versagen in Europa überhaupt noch ein
Arbeitsplatz
auf mich wartete, darum wollte ich Fabrizia unbedingt vögeln. Sie war die weichste Frau, die ich je berührt hatte, ihre Muskeln regten sich irgendwo weit unterhalb der Haut wie ein geisterhaftes Getriebe, und ihr Atem ging, wie der ihres Sohnes, flach und angestrengt; wenn sie «die Liebe machte» . (wie sie sich ausdrückte), klang sie wie kurz vorm Ersticken.
    Ich entdeckte jemanden, der in Rom zum Inventar gehörte, einen alten amerikanischen Bildhauer von kleinem Wuchs und verrottendem Gebiss, der eine beatleske Pilzkopffrisur trug und gerne erwähnte, wie gut er mit einem legendären Schauspieler aus TriBeCa befreundet war, Robert De Niro, den er bloß «Bobby D.» nannte. Schon mehrmals hatte ich seine trunkene Fassfigur in ein Taxi geschoben, den Fahrern seine repräsentative Adresse auf dem Monte Gianicolo genannt und ihnen zwanzig Euro aus meiner eigenen knappen Kasse in die Hand gedrückt.
    Fast hätte ich die junge Frau vor ihm gar nicht bemerkt, eine kleine Koreanerin (ich war schon mit zweien zusammen gewesen, beide herrlich verrückt), die ihr Haar zu einem aufreizenden Knoten gebunden hatte, sodass sieein wenig an eine asiatische Audrey Hepburn erinnerte. Sie hatte volle, glänzende Lippen, eine allerliebste, wenn auch ungewöhnliche Prise Sommersprossen auf der Nase und konnte nicht mehr als knapp vierzig Kilo wiegen – ihre Kompaktheit weckte schlechte Gedanken, die mich zittern ließen. Ich fragte mich beispielsweise, ob ihre Mutter, wahrscheinlich eine winzige, makellose Frau mit einem Sack voll Immigrantenängsten und übler Religiosität, wohl wusste, dass ihre Tochter keine Jungfrau mehr war.
    «Ach, da ist ja Lenny», sagte der Bildhauer, als ich ihm die Hand entgegenstreckte. Er war eine Vermögende Privatperson, wenn auch gerade mal so, und ich hatte ihn schon mehrmals umworben. Die junge Koreanerin warf mir einen Blick zu, den ich als ernsthaftes Desinteresse deutete (ihr normaler Gesichtsausdruck war offenbar finsteres Stirnrunzeln), und hielt die Hände zu Fäusten geballt vor sich. Ich dachte bereits, ich hätte ein junges Pärchen gestört, und wollte mich gerade entschuldigen, aber schon fing der Amerikaner mit dem Vorstellen an. «Die liebreizende Eunice Kim aus Fort Lee, New Jersey, zuletzt auf dem Elderbird College, Massachusetts», sagte er in dem ruppigen Brooklynakzent, den er für charmant authentisch hielt. «Euny studiert Kunstgeschichte.»
    «Eunice
Park
», verbesserte sie ihn. «Und ich studiere eigentlich nicht Kunstgeschichte. Ich studiere gar nicht mehr.»
    Ihre Demut gefiel mir, und ich bekam eine dauerhaft pulsierende Erektion.
    «Und das ist Lenny Abraham. Er hilft alten Börsenmaklern, ein bisschen länger zu leben.»
    «Ich heiße Abramov», sagte ich mit einem unterwürfigen Diener vor der jungen Dame. Ich bemerkte das Glas tintendunklen sizilianischen Roten in meiner Hand und trankes in einem Zug leer. Auf einmal schwitzte ich mein frisch gewaschenes Hemd und meine hässlichen Schuhe nass. Ich zog meinen Äppärät hervor, schnippte ihn mit einer Geste auf, die vor vielleicht einem Jahrzehnt
en vogue
gewesen war, hielt ihn mir albern vor die Nase, steckte ihn wieder in die Hemdtasche, griff nach einer Flasche in der Nähe und schenkte mir nach. Nun oblag es mir, etwas Beeindruckendes über mich zu sagen. «Ich mache Nanotechnologie und so Zeugs.»
    «Als Wissenschaftler?», fragte Eunice Park.
    «Eher als Verkäufer», grummelte der amerikanische Bildhauer. Er war berüchtigt dafür, um jede Frau zu wetteifern. Auf der letzten Party hatte er über einen jungen Mailänder Animator triumphiert und sich von Fabrizias neunzehnjähriger Cousine einen blasen lassen. So etwas kam in Rom einer Top-Nachricht gleich.
    Der Bildhauer drehte sich halb zu Eunice um und verdeckte mich zum Teil mit seiner breiten Schulter. Ich nahm das als Wink zu
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