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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story
Autoren: Gary Shteyngart
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Drahtkäfig des Aufzugs nach oben rufen, weil sie unbedingt von uns wissen wollten, was passiert war, was die trunkene Wut des Bildhauers geweckt hatte. «Komm zurück, Lenny», rief Fabrizia. «
Dobbiamo scopare ancora una volta.
Wir müssen nochmal ficken. Noch ein letztes Mal.»
    Fabrizia. Die weichste Frau, die ich je berührt hatte. Aber vielleicht
brauchte
ich keine Weichheit mehr. Fabrizia. Ihr von kleinen Haar-Armeen belagerter Leib, ihre von Kohlenhydraten geformten Kurven, nichts als Alte Welt in ihrer sterbenden, nichtelektronischen Körperlichkeit. Und vor mir: Eunice Park. Eine Frau in Nano-Größe, die wahrscheinlich noch nie das Kitzeln des eigenen Schamhaars gespürt hatte, der sowohl Brust als auch Körpergeruch fehlten, die ebenso gut auf dem Display eines Äppäräts wie vor meinen Augen auf der Straße existierte.
    Draußen hockte der südländische Mond schwanger und zufrieden auf den hochgereckten Palmwedeln der PiazzaVittorio. Der übliche Haufen Immigranten schlief nach einem langen Tag körperlicher Arbeit oder brachte gerade die Kinder der jeweiligen Herrschaft ins Bett. Die einzigen Fußgänger waren fesche Italiener, die vom Abendessen nach Hause wankten, das einzige Geräusch das Gemurmel ihrer galligen Gespräche und das elektrisch zischende Klappern der alten Straßenbahn, die den Nordostrand des Platzes befuhr.
    Eunice Park und ich gingen weiter. Sie ging, ich hüpfte, denn ich konnte meine Freude darüber nicht verbergen, dass ich der Party gemeinsam mit ihr entkommen war. Ich wollte, dass Eunice mir dankte, weil ich sie vor dem Bildhauer und seinem Todeshauch gerettet hatte. Ich wollte, dass sie mich kennenlernte, damit ich all die furchtbaren Dinge, die er über mich gesagt hatte, entkräften konnte, meine angebliche Gier, meinen schrankenlosen Ehrgeiz, meinen Mangel an Talent, meine fiktive Mitgliedschaft in der Überparteilichen Partei, meine Eroberungspläne für Caracas. Ich wollte ihr erzählen, dass ich selbst in Gefahr war – dass der Otter der Amerikanischen Restaurationsregierung mir Landesverrat unterstellte, weil ich mit einer einzigen mittelalten Italienerin geschlafen hatte.
    Ich beäugte Eunice’ ruinierten Pullover und den obszön frischen Körper, der darunter verborgen lebte, schwitzte und, wie ich hoffte, auch begehrte. «Ich kenne eine gute Reinigung, die mit Rotweinflecken fertigwird», sagte ich. «So ein Nigerianer eine Straße weiter.» Ich betonte «Nigerianer», um meine Offenheit und Toleranz zu unterstreichen. Lenny Abramov, jedermanns Freund.
    «Ich arbeite freiwillig in einer Flüchtlingsunterkunft am Bahnhof», sagte Eunice, was sich wohl auf irgendwas bezog.
    «Ehrlich? Das ist ja
phantastisch
!», sagte ich.
    «Bist du ein Nerd.» Sie lachte mich grausam aus.
    «Was?», fragte ich. «Tut mir leid.» Ich lachte auch, nur für den Fall, dass es ein Witz gewesen war, aber ich war verletzt.
    «PPKM», sagte sie. «IGIMGK. ROFLAARP. PRGV. Total PRGV.»
    Die Jugend und ihre Abkürzungen. Ich tat, als wüsste ich, wovon sie redet. «Klar», sagte ich. «IWF. PLO. ESL.»
    Sie sah mich an, als wäre ich übergeschnappt. «BGM», sagte sie.
    «Wer ist das denn?» Ich stellte mir einen großgewachsenen Protestanten vor.
    «Das bedeutet ‹Bloß gefickt, Mann›. Dass ich dich bloß verarscht habe.»
    «O Mann», sagte ich. «Weiß ich doch. Ehrlich. Was macht mich deiner Einschätzung nach zum Nerd?»
    «‹Deiner Einschätzung nach›», äffte sie mich nach. «Wer sagt denn so was? Und wer trägt solche Schuhe? Du siehst aus wie ein Buchhalter.»
    «Kann es sein, dass ich da etwas Wut verspüre?», fragte ich. Wohin war das süße, gekränkte koreanische Mädchen von vor drei Minuten hin? Aus irgendeinem Grund drückte ich die Brust raus und stellte mich auf Zehenspitzen, obwohl ich sowieso zwei Handbreit größer war als sie.
    Sie fasste meine Hemdmanschette an, besah sie sich dann genauer. «Die ist ja nicht richtig geknöpft», sagte sie, und ehe ich was entgegnen konnte, hatte sie meine Manschette schon auf- und wieder zugeknöpft und zupfte am Ärmel, damit er sich an Oberarm und Schulter weniger beulte. «So», sagte sie. «Jetzt siehst du ein bisschen besser aus.»
    Ich wusste nicht, was ich sagen oder machen sollte. Wenn ich mit Menschen meines Alters zu tun habe, weißich genau, was ich für einer bin. Körperlich nicht unbedingt attraktiv, aber immerhin gebildet, anständig bezahlt, an vorderster Front von Wissenschaft und Technik beschäftigt
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