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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
Autoren: Stephen King
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schwer drehen lassen würde, aber sie hatte der Marke nichts entgegenzusetzen. Vor Überraschung ließ er den Schlüsselring fallen, fand ihn jedoch gleich wieder. Sofort steckte er die Marke wieder in den Schraubenkopf und drehte zweimal. Dann bekam er die Schraube mit der Hand heraus. Dabei trug er ein breites, ungläubiges Grinsen im Gesicht.
    Bevor er daranging, die linke Schraube herauszudrehen – der Riss war jetzt fünf Zentimeter breiter als zuvor -, wischte er die Erkennungsmarke an seinem Hemd sauber (so sauber jedenfalls, wie es eben ging; das Hemd war genauso schmutzig wie alles andere, das ihm am Körper klebte) und küsste sie zärtlich.
    »Wenn das klappt, rahme ich dich ein«, sagte er. Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Bitte, lass es klappen, ja?«
    Er steckte die Kante der Erkennungsmarke in den Schraubenkopf und drehte. Sie saß etwas fester … aber nicht allzu fest. Und als sie sich schließlich bewegte, konnte er sie problemlos entfernen.
    »Himmel«, flüsterte Curtis. Ihm liefen schon wieder die Tränen über die Wangen. Allmählich verwandelte er sich in eine regelrechte Heulsuse. »Komm ich wirklich hier raus, Bets? Was meinst du?«
    Er wandte sich wieder der rechten Seite zu und löste die nächste Schraube dort. So machte er weiter – rechts, links, rechts, links, rechts, links. Wenn die Hand ermüdete, ruhte er sich einen Moment aus, dehnte und schüttelte sie, bis sie wieder beweglich war. Er saß nun schon vierundzwanzig Stunden in diesem Scheißhaus fest; da wollte er jetzt nichts übereilen. Auf keinen Fall wollte er den Schlüsselring noch einmal fallen lassen.Wahrscheinlich würde er ihn wiederfinden, so groß war der Tank nicht, aber er wollte es trotzdem nicht riskieren.
    Rechts, links, rechts, links, rechts, links.
    Und ganz langsam, während der Morgen verstrich und es in dem Sammeltank immer wärmer wurde und der Gestank immer durchdringender und unerträglicher, wurde der Spalt am Tankboden immer breiter. Er würde es schaffen, bald konnte er hier raus, aber er nahm sich zusammen und ließ sich Zeit. Es war wichtig, nichts zu übereilen, nicht wie ein verschrecktes Pferd durchzugehen. Weil er sonst vielleicht Scheiße baute, jawohl, aber auch, weil sein Stolz und sein Selbstwertgefühl gelitten hatten.
    Von seinem Selbstwertgefühl einmal abgesehen – mit Geduld und Spucke fing man eine Mucke.
    Rechts, links, rechts, links, rechts, links.
     
    Kurz vor zwölf wölbte sich der Saum an der dreckverkrusteten Unterseite des Toilettenhäuschens nach außen und schloss sich wieder, wölbte sich nach außen und schloss sich wieder. Eine Weile passierte nichts. Dann bildete sich ein ein Meter großer Riss, wurde breiter, und Curtis Johnsons Kopf tauchte darin auf. Er verschwand wieder, und ein Klappern und Schaben war zu hören, als er sich erneut an die Arbeit machte und weitere Schrauben entfernte: drei auf der linken und drei auf der rechten Seite.
    Als sich der Saum das nächste Mal nach außen wölbte, tauchte sein bräunlich verschmierter Haarschopf auf und schob sich hinaus, immer weiter, die Wangen und Mundwinkel wie von einer furchtbaren Schwerkraft nach unten gezogen; ein Ohr hatte schlimme Kratzer abbekommen und blutete. Er stieß einen Schrei aus, stemmte sich mit den Füßen ab, von Panik erfüllt, er könnte auf halbem Wege in dem Sammeltank stecken bleiben. Doch trotz seiner Angst spürte er, wie unfassbar frisch die Luft war: heiß und schwül, und doch wohltuender als alles, was er jemals eingeatmet hatte.
    Als er mit den Schultern draußen war, hielt er einen Moment keuchend inne und betrachtete eine zerdrückte Bierdose, die keine drei Meter von seinem schwitzenden, blutenden Kopf entfernt im Unkraut glitzerte. Sie kam ihm vor wie ein Wunder. Dann schob er sich weiter, mit angehobenem Kopf und gefletschten Zähnen; die Halssehnen traten hervor. Er blieb mit dem Hemd an dem schartigen Spalt im Tankboden hängen, und es zerriss mit einem lauten Geräusch. Er beachtete es nicht weiter. Unmittelbar vor ihm wuchs eine Virginiakiefer, die etwas höher als einen Meter war. Er streckte sich und bekam den dünnen, kräftigen Stamm erst mit der einen Hand zu fassen, dann mit der anderen. Während er sich wieder einen Moment ausruhte, merkte er, dass er sich beide Schulterblätter aufgeschürft hatte und dass sie bluteten. Schließlich zog er an dem Baum und stieß sich ein letztes Mal mit den Füßen ab.
    Fast befürchtete er, dass er die kleine Kiefer mitsamt den
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