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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
Autoren: Stephen King
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sein,Willa, oder? Ich meine, das 21. Jahrhundert?«
    Noch ehe sie antworten konnte, vernahmen sie das Klick-klick-klick von Krallen auf dem Asphalt. Diesmal war es mehr als nur ein Pfotenpaar; diesmal befanden sich vier Wölfe hinter ihnen auf der Straße. Der größte, der vor den anderen stand, war der, der auf dem Hinweg hinter David aufgetaucht war. Dieses zottige schwarze Fell war ganz unverkennbar. Die Augen leuchteten jetzt heller. In beiden schwamm wie ein versunkener Lampendocht ein Halbmond.
    »Sie sehen uns!«, rief Willa aufgeregt. »David, sie sehen uns!« Sie sank auf dem weißen Mittelstreifen in die Knie und streckte die Hand aus, schnalzte mit der Zunge und sagte: »Komm her, Junge! Na komm schon!«
    »Willa, ich finde das keine so gute Idee.«
    Sie achtete nicht auf ihn, was typisch für sie war. Willa hatte eben ihren eigenen Kopf. Sie war es, die mit dem Zug von Chicago nach San Francisco hatte fahren wollen – weil sie, wie sie sagte, wissen wolle, wie es sich anfühle, im Zug zu vögeln. Besonders in einem, der schnell fuhr und ein bisschen schaukelte.
    »Komm her, Dicker, komm zu Mama!«
    Der große Wolf kam näher, gefolgt von seinem Weibchen und ihren beiden … nannte man sie Jährlinge? Als er die Schnauze (und all diese schimmernden Zähne) nach der schmalen ausgestreckten Hand reckte, füllte der Mond die Augen des Tiers einen Moment lang mit Silberglanz aus. Doch kurz bevor die lange Schnauze ihre Haut berührte, jaulte der Wolf gellend auf und scheute so plötzlich zurück, dass er auf die Hinterbeine stieg, mit den Vorderläufen strampelte und dabei das plüschige weiße Bauchfell entblößte. Die anderen stoben auseinander. Der große Wolf vollführte eine Pirouette in der Luft und floh dann, immer noch jaulend, mit eingeklemmtem Schwanz nach rechts ins Dickicht. Die anderen rannten hinterher.
    Willa stand auf und sah David mit so trauervoller Miene an, dass er es nicht ertragen konnte. Er senkte die Augen. »Hast du mich dafür von der Musik weg in die Dunkelheit rausgeschleppt?«, fragte sie. »Um mir zu zeigen, was ich jetzt bin? Als ob ich das nicht wüsste!«
    »Es tut mir leid,Willa.«
    »Es wird dir noch viel mehr leidtun.« Sie fasste wieder nach seiner Hand. »Komm, David.«
    Jetzt riskierte er einen Blick. »Du bist nicht sauer auf mich?«
    »Doch, schon, ein bisschen – aber du bist alles, was ich noch habe, und ich lass dich nicht mehr los.«
    Kurz nachdem sie den Wölfen begegnet waren, entdeckte David am Straßenrand eine Budweiser-Dose. Er war sich fast sicher, dass es die war, die er vor sich hergekickt hatte, bis sie ins Gestrüpp geflogen war. Nun lag sie hier wieder am ursprünglichen Fleck … weil er sie natürlich nie wegbefördert hatte. Wahrnehmung ist nicht alles, hatte Willa gesagt, aber Wahrnehmung gepaart mit Erwartung? Zusammen ergaben sie die perfekte Mischung: im Kopf.
    Er kickte die Dose ins Dickicht, und als sie an der Stelle vorbeigingen, blickte er sich um und, siehe da, sie lag immer noch genau dort, wo irgendein Cowboy – vielleicht auf dem Weg zum 26 – sie aus dem Fenster seines Pick-ups geschmissen hatte. In der alten Fernsehshow Hee-Haw mit Buck Owens und Roy Clark, erinnerte er sich, hatten sie die Pick-ups immer »Cowboy-Cadillacs« genannt.
    »Worüber grinst du denn so?«, fragte Willa.
    »Erzähl ich dir später. Wie’s aussieht, haben wir’ne Menge Zeit vor uns.«
     
    Sie standen vor dem Bahnhof von Crowheart Springs und hielten sich bei den Händen wie Hänsel und Gretel vor dem Pfefferkuchenhaus. Im Mondlicht wirkte der grüne Anstrich des langen Gebäudes aschgrau, und obwohl David wusste, dass WYOMING und »DER GLEICHHEITSSTAAT« in Rot-weiß-blau daraufgepinselt waren, hätte es auch jede andere Farbe sein können. Ein Blatt Papier, durch eine Plastikhülle vor den Elementen geschützt, war an einen der Pfosten gepinnt, die die breite Treppe vor dem Eingang flankierten. Phil Palmer lehnte noch immer dort.
    »He, Kumpel!«, rief Palmer herab. »Haste’ne Kippe?«
    »Tut mir leid, Mr. Palmer«, sagte David.
    »Ich dachte, du wolltest mir’ne Schachtel mitbringen.«
    »Ich bin an keinem Laden vorbeigekommen«, sagte David.
    »Gab’s da keine Zigaretten, wo du gewesen bist, Puppe?«, fragte Palmer. Er war einer von denen, die alle Frauen eines gewissen Alters Puppe nannten; man sah es ihm förmlich an, so wie man ihm auch ansah, dass er an einem schwülen Augustnachmittag seinen Hut zurückschieben, sich über die Stirn wischen
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