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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Autoren: Patrick Roth
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humpelnd, den Fuß angezogen nach hinten, den Boden nicht zu berühren.
    Da legte Joseph das Bündel, das er auf dem Rücken trug, zu Boden und bot an, Maria statt dessen zu tragen.
    Und sie nahm es an, bat ihn, ihr Tuch zu ziehen vom Boden, es über den Rücken zu breiten des Mannes, daß sie es nicht verlöre, und stieg auf das Tuch.
    Da war es die Rückengetragene, an die Joseph Erinnerung trug, als er zu retten trug jenen Sklaven.
    Und Zeitlang war ebenso dieser Schwere nicht schwer, sondern leicht wie ein Mädchen und nah wie die junge Frau selbst, nah wie ihr Atem gewesen an seiner Schulter. Unruhig nah war der einst, Joseph erinnerte sich, unruhig nah überm Träger, dann aber verruhend, leiser und seltner beim Tragen, wie im Schlaf vor Erschöpfung.
    Als er sie aber zum zweiten Mal weckte, zum zweiten Mal sie mit Namen rief, war es kurz vor dem Dorf. Da hatte noch niemand in Nazaret, auch nicht ihre Eltern und Brüder, gesehen, die schlief auf dem Rücken des Trägers. Und als sie wach wurde, dankbar, daß er sie nochmals zu sich gerufen, wußte er, wußte er’s schon. Was wußte er? Denn er hielt. Aber nicht um zu fragen, wohin er nun gehen solle und wo das Haus ihrer Eltern stehe. Denn das wußte er längst, als er hielt. Nein, er hielt an im Moment, da er wußte: Anhalten will ich um sie, die mir traut und die ich gerne getragen. Denn da wußte er, daß er, würde ihr Name gerufen zum dritten Mal, sich ihr verbinden und in Verlobung der Mann Marias sein wollte.
    Und so geschah’s, in den Tagen darauf, nach jüdischem Gesetz.
    Kapitel 8. Die Halme
    So daß Joseph, in Erinnerung tragend, hin durch die Nacht auch ihn leichter trug, jenen Sklaven. Und wann immer die Kraft auf dem Weg ihm versagte, Joseph nicht wußte, wohin er im Dunkeln ging, auch nicht, wo er den Sklaven sollte verstecken und wie sich einstellen auf die Gefahr, daß Verfolger ihm nachkämen, mit Zeugen, die ihn im Garten gesehen, mit Hunden, die weither Blut an ihm röchen vom Blut der Fährte im Garten; wann immer so Furcht und Gedankenbedrängnis den Atem ihm schnitten, verband es Erinnerung: Immer dann kam sie und führte ihn und setzte heilend in ihn ihr Bild.
    Daß sich lösten Furcht und Gedankenbedrängnis und hertrat das Bild vom Tag, nachdem er Maria getragen.
    Am Tage darauf nämlich ging er nochmals zurück, ging, die Tracht Holz aufzunehmen, die er abgelegt hatte an jenem Ort.
    Und hinkommend, geht er schon anders zu auf die Stelle. Denn er sah nicht mehr das welke Gras, sah nur, darin geprägt, Abdruck der Kostbaren. Auch das Viereck, darauf sie ihr gewobenes Wasser gebreitet, war ihm noch deutbar. Und wie kostbar zertreten die Stelle, auf der sie bewußtlos gelegen, erwacht war, geweckt. Die beugte er sich hinab zu berühren. Und zuletzt zu berühren, vorbei am Zisternenmund, auch die Spur der Halme am Boden, wo sie verletzt das Tuch über ihn breitete, er sie auf sich genommen.
    Da war’s ihm, als ginge er bereits einzig für sie durch die Welt, als sei er ihrethalben zurückgekehrt an den Ort, das Liegengelassene aufzuheben, es neu in ihr zu errichten. Seitdem war er nicht mehr derselbe.
    Kapitel 9. Die Zisterne
    Unter solchen Gedanken gelangte Joseph nun nachts, den Sklaven immer auf seinem Rücken, an eben die Stelle, an die ihn auch die Erinnerung geführt.
    Und er erkannte den Ort und fand die alte Zisterne, die er, das morsche Holz mit neuem vertauschend, sichernd bedeckt hatte damals.
    Und Joseph stieg hinab und nahm Zweige und dürres Gras und richtete auf dem vertrockneten Grund der Zisterne ein Lager und legte den Schwerverwundeten darauf, der im Fieber halb wachte, halb schlief. So daß Joseph nicht mit ihm reden konnte und nicht wußte, ob der verstand, was Joseph ihm sagte, oder es, wie man spricht: mit in den Traum nahm.
    In den Traum, wo das Wort – wie wir ja wissen, wie ihr alle nachtnächtlich erfahrt – Welten anstößt, Himmel, Berge, Flüsse, Lichter ausrollen läßt und aus den Finsternissen Menschen herausruft, wie Erstes Wort einst Ersten Tag.
    Da sprach Joseph zum Sklaven, von dem er nicht wußte, ob er die Worte doch hörte:
    »Liege hier ruhig. Steige nicht nach oben zurück, denn dein römischer Herr wird suchen lassen nach dir. Diesen Ort aber wird man nicht finden. Außer mir und meiner Verlobten kennt keiner mehr ihn.
    Fürchte dich nicht. Denn zu essen und trinken will ich dir bringen, sehen lassen nach deinen Wunden bei Tag.
    Nur wisse, ich werde’s nicht sein, der dir kommt. Meiner Frau
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