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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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Runde um das ganze Dickicht. Als er zur Barke des Großvaters zurückkehrte, feuerte Don Joaquin eifrig auf die verängstigten, aus ihren Schlupfwinkeln vertriebenen Vögel, die, sobald sie den quer durch das Dickicht gehenden Wasserarm erreichten, einen Moment vor dieser gefährlichen Lichtung zögerten, sie aber schließlich teils fliegend, teils schwimmend dennoch durchkreuzten, wobei das Blei des Jägers sie erwischte.
    In diesem engen Raum konnte kein Schuß fehlgehen, und Don Joaquin empfand die Genugtuung eines sicheren Schützen, als er sah, mit welcher Leichtigkeit er das Wild erlegte. Centella war ständig im Wasser, um die Vögel, meist noch lebend, stolz zu apportieren. Auch Palomas Flinte feierte nicht. Er verfolgte seine alte Taktik, der Eitelkeit seiner Gönner zu schmeicheln: ging ein Schuß des Valencianers vorbei, so knallte es unmittelbardarauf in seinem Rücken – dieses Mal mit Erfolg –, doch der Alte wußte seinem Jagdgast stets plausibel zu machen, daß es sein Verdienst gewesen wäre.
    Jetzt schwamm eine schöne Krickente hindurch. Aber so schnell auch beide schossen, sie verschwand im Schilf.
    »Getroffen ist sie; ein paar Federn flogen«, rief Paloma.
    Don Joaquin schnaufte ärgerlich.
    »Was für ein Pech! Sie wird im Röhricht verenden, ohne daß wir sie finden können.«
    »Such, Centella! ... Such!« befahl Tonet der Hündin.
    Willig warf sie sich ins Dickicht, und man hörte an dem knackenden Rohr, wo sie sich ihren Weg bahnte.
    »Sie bringt die Ente!« sagte der Kubaner mit Überzeugung. Doch der Großvater zeigte sich etwas ungläubig.
    »Centella gehört wie ich zum alten Eisen. Als Cañamel sie kaufte, war sie ihr Gewicht in Gold wert. Aber jetzt kann man ihrer Nase nicht mehr blindlings vertrauen.«
    »Du wirst es ja sehen!« lächelte Tonet.
    Bald nahe, bald ferner erklang im Morast das Plätschern der Hündin, dem die Jäger in der Stille des Morgens mit angespannter Aufmerksamkeit folgten. Minuten vergingen, bis sie mit mutlosem Aussehen und traurigen Augen, nichts im Maul tragend, zum Vorschein kam.
    Der Alte lachte triumphierend. Was hatte er gesagt? ... Tonet bekam, weil er glaubte, sich lächerlich gemacht zu haben, einen roten Kopf. Er drohte der Hündin mit der Faust, um sie vom Boot abzuhalten.
    »Such! ... Such!« herrschte er das arme Tier an.
    Wieder verschwand Centella im Rohr, doch das Wedeln ihrer Rute verriet keine Zuversichtlichkeit.
    »Sie findet die Ente!« versicherte Tonet nochmals. »Ich habe sie schwierigere Sachen ausführen lassen.«
    Von neuem knackte das Rohr, von neuem plätscherte es im Wasser, aber man konnte erkennen, daß Centella planlos umherirrte, ohne Vertrauen zu ihrer Arbeit. Einige Male streckte sie den Kopf durch die Binsen heraus, um ihn sofort wieder zurückzuziehen, wenn sie die Faust ihres Herrn sah und sein »Such!« hörte, das wie eine Drohung klang. Schließlich entfernte sie sich immer mehr, so daß die Jäger nicht das kleinste Geräusch vernahmen.
    Plötzlich fuhr Tonet hoch. Centella gab Laut, nochmals und nochmals, weit fort.
    »Nun?« lachte er. »Es kann etwas dauern, aber es entgeht ihr nichts.«
    Wieder schlug die Hündin an, verzweifelt, doch ohne näher zu kommen. Der Kubaner pfiff.
    »Hierher, Centella! Hierher!«
    Man hörte wieder ihr Plätschern, Rohr knackte, und schließlich erschien, mühselig schwimmend, die Hündin mit einem Gegenstand im Maul.
    »Hierher, Centella!« rief Tonet nochmals.
    Dicht an der Barke des Großvaters schwamm sie vorbei – und der Alte hob die Hand vor die Augen, als hätte ihn ein Blitz geblendet.
    »Heilige Mutter Gottes!« ächzte er, während die Flinte zu Boden polterte.
    Und jetzt sprang Tonet auf, mit irrem Blick, am ganzen Leibe zitternd. Neben seinem Boot sah er ein Leinwandbündel und darin etwas Fahles, Gallertartiges, das von Blutegeln wimmelte; ein aufgedunsenes Köpfchen, schwärzlich, unförmlich, mit zwei leeren Augenhöhlen und einem herabbaumelnden Augapfel: alles das so ekelhaft, so entsetzlich riechend, daß er glaubte, im vollen Sonnenlicht das Wasser sich verdunkeln, jählings Nacht sich auf den See herabsenken zu sehen.
    Mit beiden Armen hob er die Stange. Und so fürchterlich war der Schlag, daß der Schädel der Hündin krachte wie brechendes Holz. Aufheulend versank das arme Tier samt seiner Beute in dem gurgelnden Wasser.
    Dann blickte er mit den Augen eines Wahnsinnigen seinen Großvater an, der nichts verstand von dem, was vorging – dann den armen,
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