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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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Hier wollte er bleiben – für immer.
    Vielleicht verbreitete sich zu dieser Stunde schon in Palmar die Kunde von dem fürchterlichen Fund. Der Großvater würde nichts sagen, warum jedoch sollte dieser Fremde aus Valencia schweigen? Man würde nachforschen, eine Untersuchung vornehmen, die Gendarmen von Ruzafa senden. Diese Blicke! ... Ah, sie würden ihn in die Enge treiben – bis zum Geständnis. Und wenn er es fertigbringen sollte, sich herauszureden, was dann? ... Zu Neleta zurück? ...
    Nein! Es war alles zu Ende!
    Tonet weinte nicht mehr.
    Mit einer letzten, höchsten Willensanstrengung riß er sich los von seinem qualvollen Grübeln.
    Am Bug lag Cañamels Flinte. Tonet betrachtete sie mit ironischem Lächeln. »Wie würde der lachen, wenn er mich jetzt sähe! ...«
    Und zum ersten Male gebrauchte der im Schatten des Schankwirts gemästete Parasit etwas von dem, was er usurpiert hatte, für eine gute Tat.
    Ganz ruhig, automatisch, streifte er die rechte Sandale ab und schleuderte sie weit fort. Dann spannte er beide Hähne der Flinte, knöpfte seine Bluseauf und beugte sich nach vorn, bis seine Brust auf der Mündung des Doppellaufs lag.
    Der nackte Fuß glitt sacht am Kolben hoch, auf der Suche nach dem Abzug. Plötzlich dröhnten zwei Schüsse, so daß auf allen Seiten die Vögel des Dickichts in tollem Schrecken davonflatterten.
     
    Der alte Paloma kehrte erst spätabends nach Palmar zurück. Er hatte seinen Jäger, der so rasch wie möglich vom See fort wollte, in Saler abgesetzt. Der friedliche Bürger, Vater einer zahlreichen Nachkommenschaft, schwor, daß er nie wiederkommen würde.
    »Bei zwei Jagdausflügen zwei böse Ereignisse! Die Albufera birgt für mich nur grausige Überraschungen, und die zweite hat mir den Rest gegeben. Ich bin sicher, daß ich mich zu Hause sofort zu Bett legen muß.«
    Er selbst riet dem Alten dringend absolute Verschwiegenheit an:
    »Daß Ihnen kein Wörtchen entschlüpft! Wir haben nichts gesehen ... Sagen Sie auch dem armen Jungen, dem Tonet, der sich vor lauter Schreck davonmachte, er soll den Mund halten. Der See hat sein Geheimnis wieder verschluckt, und es wäre töricht, davon zu sprechen, da man doch weiß, wie die Justiz Unschuldigen den Kopf heiß macht, wenn sie dumm genug sind, sie anzurufen. Ehrbare Leute sollten jeden Kontakt mit den Vertretern des Gesetzes vermeiden...«
    Und der würdige Señor stieg in Saler nicht eher in seine Kutsche, bis ihm Paloma, der immer nachdenklicher wurde, mehrere Male hoch und heilig versprochen hatte, daß er stumm sein würde.
    Als der Alte bei Einbruch der Nacht in Palmar landete, machte er am Kanalufer die beiden Boote fest, mit denen sie am Morgen ausgefahren waren. Dann betrat er die Taverne.
    Neleta, allein hinter ihrem Schanktisch, suchte mit ihren Augen nach Tonet. Paloma verstand die Frage in ihrem Blick.
    »Erwarte ihn nicht«, sagte er bitter. »Er kommt nicht wieder!«
    Und mit auffälliger Betonung erkundigte er sich, ob sie sich besser fühle.
    Die Wirtin zuckte zusammen; sie erriet, daß er ihr Geheimnis kannte.
    »Aber ... und Tonet?« stammelte sie mit gepreßter Stimme.
    Der Alte sah von ihr fort, als fürchtete er, ihr Anblick könnte ihm seine erzwungene Ruhe rauben.
    »Tonet wird nie wiederkommen. Er ist geflohen. Weit, weit fort in einLand, aus dem man nicht zurückkehrt. Das Beste, was er tun konnte ... So ist alles in Ordnung und bleibt verborgen.«
    »Und Sie? ... Und Sie? ...« keuchte Neleta.
    Paloma schlug sich mit der Faust auf die Brust.
    »Ich werde schweigen. Unser Name, seit Jahrhunderten geachtet, soll nicht wegen eines Liederjans und wegen einer Hündin durch den Dreck gezogen werden.«
    Doch dann brach seine Erbitterung durch.
    »Weine, du Canaille! Weine! Dein ganzes Leben müßtest du weinen, weil du meine Familie zugrunde gerichtet hast. Behalte dein Geld! Ich bin keiner von denen, deren Schweigen man erkaufen kann ... Und wenn du wissen willst, wo dein Liebster ist, so brauchst du nur den See anzuschauen. Die Albufera, unser aller Mutter, wird das Geheimnis so getreulich bewahren wie ich.«
    Erschüttert hörte Neleta diese Enthüllung. Aber ihre ungeheure Bestürzung hinderte sie nicht, den Greis, von dessen Schweigen ihre Zukunft abhing, mit argwöhnischen Augen zu mustern.
    »Du kannst deinen Reichtum genießen! Ich werde schweigen ...«, wiederholte er nochmals.
    *
    Grausig war die Nacht in der Hütte der Palomas. Bei dem dürftigen Schein der kleinen Lampe saßen sich Großvater
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