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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
Autoren: Eve Rudschies
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sie zusammen mit Überreiter.
    Anna Lucretia verspürte Kälte trotz des Pelzfutters ihrer Schaube. Sie bedauerte, keinen Kopfputz außer ihren Haarbändern zu haben, denn sie fühlte sich diesem riesigen Mann gegenüber immer winzig. Jeder Raum verkleinerte sich, wenn Niklas Überreiter ihn betrat. Dabei wirkte er weder abstoßend noch erschreckend. Aber Überreiter war ein Bär von einem Mann – so groß, so kräftig, dass man zwangsläufig glaubte, er könne seine Kraft kaum bändigen. Seine auffallend weißen, spitzen Zähne, der lauernde Blick und sein dichtes Haar erinnerten an ein prächtiges Raubtier. Gerne trug er pelzverbrämte Kleidung und Schmuck, die von seinem Jägerglück zeugten. Dennoch kannten ihn Hof und Stadt als einen friedlichen, besonnenen Mann. Bei seiner Aussage entstand kein anderes Bild. Überreiter bestritt nicht, den gelehrten Doktor Widmannstetter eindringlich, wie er sagte, gewarnt zu haben.
    »Beschimpft oder gar bedroht habe ich ihn aber nicht«, beteuerte er. »Meine Warnung, die Schicksalsgöttin nicht allzu schamlos herauszufordern, hatte andere Gründe.«
    »Welche denn, Herr Baumeister?« Weißenfelder legte Widmannstetter, dem der Kragen zu platzen drohte, von hinten beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Und warum seid Ihr überhaupt zum italienischen Bau gegangen?«
    »Das tue ich oft, Herr Hofrat. Erstaunt Euch das? Ich habe am deutschen Bau mitgewirkt, ich bin Baumeister, ich wohne fast gegenüber in der Schirmgasse. Es interessiert mich brennend zu sehen, was sich dort tut.«
    »War es schon dunkel, als Ihr ankamt?«
    »Ja, weil ich selbst lang im Weinkeller gearbeitet hatte. Ich habe noch eine Laterne bei mir zu Hause geholt. Ich war sehr überrascht, Doktor Widmannstetter dort zu dieser Zeit zu finden, habe aber schnell verstanden, warum. Er war sturzbetrunken und redete wirr. Vermutlich wartete er, dass sein Rausch nachlässt, bevor er sich auf den steilen Weg zur Trausnitz machte. Bei diesem Anblick kam mir die Galle hoch. Er merkte das und pöbelte mich an. Da habe ich meine Warnung ausgesprochen. Hoheit, dieser Mann mag wichtig sein für den italienischen Bau Eurer Stadtresidenz, aber ein ehrbarer Gatte für das Fräulein von Leonsperg wird nie und nimmer aus ihm. Hört auf mich, ich flehe Euch an! Dieses Unglück muss verhindert werden. Das sage ich heute, das sage ich morgen. Niemand denkt anders in Eurer Stadt.«
    Während Ludwig, Sabina und Weißenfelder sich ratlos ansahen, sprang Widmannstetter auf seine schmerzenden Beine. Unbändige Empörung schien seine schmale Brust zu sprengen. Unter den bartlosen Wangen bebten die Kieferknochen. In Anna Lucretias Augen wuchs er in diesem Moment zu Überreiters Größe an. Doch war ihr klar, in welchem Dilemma Vater und Tante steckten. Widmannstetter gelang es, ruhig zu sprechen.
    »Hoheit, Ihro Durchlaucht, ich war nicht betrunken. An diesem Abend nicht und an keinem anderen. Das schwöre ich bei meiner Ehre und bei der Ehre Eurer Tochter und Nichte. Sie hat ihr Vertrauen und ihre Liebe keinem Trunkenbold geschenkt. Mit meinem italienischen Leben, dem eines ungebundenen Mannes, habe ich für immer abgeschlossen. Eine fremde Hand hat mich den Löwen zum Fraß vorgeworfen.«
    Überreiter blieb gelassen.
    »Meine war es nicht. Ich bleibe bei meiner Aussage. Aber wer weiß? Doktor Widmannstetter sagt, er könne sich von dem Moment an, da er das äußere Burgtor passiert hat, an nichts mehr erinnern. Was mich ja nicht verwundert. Vielleicht ist er doch Opfer eines Verbrechers geworden? Der Soßenkoch, dieser Langhahn, soll sich doch schon bei seiner Rettung merkwürdig verhalten haben. Hat möglicherweise Doktor Widmannstetter, noch benebelt, etwas gesehen, was dem Soßenkoch oder wem auch immer missfallen hat? Was machte der Mann zu dieser späten Stunde bei der Löwengrube?«
    Das waren tatsächlich Fragen, die, schenkte man dem Baumeister Glauben, bisher einer Antwort harrten. Herzog Ludwig litt unter dieser Ungewissheit. Er befahl sowohl Überreiter als auch dem nach wie vor empört bebenden Widmannstetter, auf dem Gang zu warten. Kaum war die dicke Tür geschlossen, warf sich Anna Lucretia völlig aufgelöst ihrem Vater zu Füßen.
    »Vater, oh Vater, wie kann er es nur wagen! Er lügt! Johann Albrecht sagt die Wahrheit. Er war nicht betrunken. Die Tante und ich haben ihn in der Küche versorgt. Er roch nicht nach Wein oder sonst etwas, nicht wahr, teure Tante? Das ist eine gemeine, eine feige Lüge, nur Neid und
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