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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
Autoren: Eve Rudschies
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Als ihr gewalttätiger Gatte Herzog Ulrich von Württemberg die Lehre Luthers angenommen hatte, wurde sie mit dem Tod bedroht, sollte sie es ihm nicht gleichtun. Sabina weigerte sich und floh zu ihren bayerischen Brüdern, zunächst nach München. Dort blieb sie nur kurze Zeit. Zu sehr schwankte Herzog Wilhelm IV. zwischen Bruderliebe und seinem Respekt vor den Rechten eines Ehemannes. Allerdings war auch Angst vor einem protestantischen Angriff im Spiel – Herzog Ulrich hatte oft genug bewiesen, dass er zu allem fähig war. Angst vielleicht auch vor Leonhard von Eck, Wilhelms unermüdlichem Berater, dem die Herzogin viel zu selbstbewusst war. Ludwig dagegen stand der Schwester treu und zuverlässig bei. Er überließ ihr die Aufgaben bei Hof, die einer Gattin zugestanden hätten. So nahm sie selbstverständlich an der Anhörung Widmannstetters teil. Außerdem befanden sich Anna Lucretia und Ludwigs engster Berater Dr. Johann Weißenfelder im Raum. Alle erwarteten eine ausweichende Aussage, niemand wollte an einen kriminellen Hintergrund glauben.
    Doch Widmannstetter verkündete laut und deutlich seine unerschütterliche Überzeugung, Opfer eines Angriffs gewesen zu sein, obwohl er sich an nichts von dem erinnern konnte, was zu seinem Erwachen in der Löwengrube geführt hatte.
    »Von wem seid Ihr denn angegriffen worden?«, fragte Weißenfelder, ein sehr kluger, älterer Herr.
    »Vom herzoglichen Baumeister Niklas Überreiter.« Widmannstetter zögerte keinen Augenblick mit seiner Antwort.
    Ein Moment betretener Stille folgte dieser klaren Anklage. Anna Lucretia jubelte innerlich. Was auch immer kommen sollte, ihr Johann Albrecht hatte sich nicht wie ein wildes Tier benommen, war nicht aus eigenem Verschulden in die Löwengrube gestürzt. Alles hatte bestimmt Sinn und fand gleich seine Erklärung. Weißenfelder ergriff das Wort.
    »Herr Doktor Widmannstetter, wie könnt Ihr so sicher sein? Schließt Ihr einen Schwächeanfall aus, vielleicht aufgrund von Müdigkeit, der beißenden Kälte? Oder etwa Geistesabwesenheit, eine leichte Benommenheit? War nichts davon im Spiel?«
    Der Gelehrte verstand sofort, in welche Richtung Weißenfelders Vermutung führte. Er sah Anna Lucretia direkt in die Augen.
    »Nein, nichts davon. Das schwöre ich bei unserem Herrn und Retter Jesus Christus, Gottes eingeborenem Sohn. Auch wenn mein Geist nicht Herr meines Körpers gewesen wäre, was hätte ich im äußeren Burghof hinter dem Küchenbau suchen sollen? Es war Niklas Überreiter. Ich hatte am Nachmittag in der Stadt eine heftige Auseinandersetzung mit ihm. Das war Grund genug.«
    Weißenfelders tiefe Stimme stockte ein wenig; er räusperte sich und suchte nach Worten.
    »Doktor Widmannstetter, es geht hier um die Ehre und vielleicht auch um das Leben eines bisher gänzlich unbescholtenen Mannes. Tragt uns bitte genau vor, was sich ereignet hat. Was war der Anlass dieser Auseinandersetzung mit dem Baumeister?«
    Widmannstetter blickte zu Anna Lucretia. Heute sah sie so aus, wie er sie immer kannte. Die braunen Locken mit bestickten Bändern fest geschnürt, aber ohne schräg sitzendes Samtbarett oder weiten Krempelhut, die sich die koketten Damen so gern bei der Männertracht ausliehen. Die Tochter des frohsinnig-lebenslustigen Wittelsbachers Ludwig geizte gewiss nicht mit ihren Reizen. Ihr miederartiger Gürtel zeichnete die schlanke Taille nach und betonte die runden Hüften, wie es die neueste Mode verlangte. Auch die dazugehörende, mit Perlen und Seide bestickte Tasche fehlte nicht. Die Falten ihres plissierten Hemdes saßen tadellos zwischen der dünnen, ebenfalls seidenbestickten Halskrause und ihrem am Dekolleté eckig geschnittenen Westlein. Er merkte trotz ihrer schweren, pelzgefütterten Ärmel und ihrer Schaube, des dunklen Übermantels, dass sie leicht zitterte. An einer langen silbernen Halskette trug sie das Pomander, das er für sie im Sommer aus Italien mitgebracht hatte, eine fein ziselierte, gelöcherte Silberkugel, gefüllt mit allerlei duftenden Substanzen, der letzte Schrei in Sachen Frauenputz. Er erinnerte sich, wie er versucht hatte, ein Duftporträt von ihr zusammenzustellen. Nichts von dem sonst beliebten, aber starken Moschus: Auffälligkeit bedeute längst nicht Schönheit, dafür immer fehlende Reinlichkeit, hatte sie ihm einmal trocken über eine Münchner Hofdame gesagt. Kein Moschus also. In die wachsartige Duftpaste kamen Ambrastückchen, dezent Muskatnuss und Nelken und viel pudrige Iriswurzel
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