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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
Autoren: Eve Rudschies
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Lucretia. Augenblicklich vergaß er die Küche, seinen Schmerz und das Ammoniaksalz. Er hatte sie noch nie so gesehen: ohne Kopfhaube, Haarschnüre oder Barett, ohne Gürtel und kunstvoll geschlitzte Ärmel. So wird sie aussehen in unserer Hochzeitsnacht, dachte er bei sich. Die braunen Locken zum einfachen Zopf geflochten, in langem Hemd und gefüttertem Mantel. Die Januarnacht wird noch kälter sein als heute. Genauso wird sie mich anlächeln: liebevoll, hingebungsvoll. Genauso wird sie versuchen, ihren Kummer über die kommende Stunde zu verbergen und trotzig tapfer tun. Sein Herz schlug höher, er hatte das Paradies wiedergefunden.
    Der herbeigeeilte Wundarzt Adrian Sittich wunderte sich nicht wenig über die Art der Verletzungen. Gefasst erzählte Widmannstetter ihm von der Löwengrube und seiner Rettung durch den Soßenkoch. Das wiederum empörte den Küchenmeister Kärgl.
    »Was hast du denn zu dieser unchristlichen Zeit im Burghof gemacht?«
    Langhahn, der hier vor dem Feuer genauso blutlos wirkte wie draußen, antwortete ebenso langsam, wie er den Gelehrten von den Löwenmäulern weggezogen hatte.
    »Bevor ich neben dem Kurzbein, dieser Sackpfeife, einschlafen kann, muss ich mich immer erst müde laufen.«
    »Hast wohl nicht genug Arbeit in meiner Küche?«, fragte ihn Kärgl. Ein Raunen ging durchs Küchenvolk. Der alte Küchenmeister, ein hochrangiger herzoglicher Beamter, war Herr über sie alle, dennoch: Der Soßenkoch war wichtig und gehörte zu den Besten seines Faches. Würde Langhahn sich so anherrschen lassen? Dieser entdeckte auf der anderen Seite der Küche vor der Söllertür den Oberkoch Theodor Grünberger und den Zuckerbäcker Xaver Kurzbein.
    »Fragt doch die beiden, Küchenmeister«, knurrte er mit seiner frechen Langsamkeit, »wenn Euch danach ist. Eigenlob soll stinken, aber wenn es von den anderen kommt, werde ich nicht widersprechen.«
    Der Herzogin Sabina reichte es. Was war das für eine Nacht? Der fast Verlobte ihrer Nichte war, Gott weiß wie, in der Löwengrube gelandet und drohte, in der Mundküche wie ein frisch geschlachtetes Schwein zu verbluten – und Köche und Küchenmeister wollten sich an die Gurgel!
    »Geht alle weg hier«, herrschte Sabina die Herumstehenden an. Sie ergriff Anna Lucretias Hand. »Wir brauchen keine Messerhelden. Der Küchenmeister bleibt und auch Ihr, Grünberger. Bertha, kümmere dich ums Feuer! Vier Mann holen eine Bahre und warten. Herr Wundarzt: an die Arbeit! Alle anderen: hinaus!«
    Mit Erstaunen entdeckte Widmannstetter, wie vertraut sich seine Anna Lucretia, einzige, wenn auch uneheliche Tochter Herzog Ludwigs, und Herzogin Sabina von Württemberg, ihre Tante, in dieser ihm so fremden Welt bewegten. Sabina diskutierte fachmännisch mit dem Wundarzt.
    »So, Herr Sittich, die Wunden sind nicht so tief, wie wir befürchteten. Das Bluten hört langsam auf. Reinigt die Blessuren und bereitet die Verbände vor! Anna Lucretia, geh in meinen Destillierraum, hol das Holunderöl, die Tinkturen aus Christusspeer und Agrimonia!«
    In kürzester Zeit war das Mädchen mit dem Gewünschten zurück.
    »Gut. Die Tinkturen auf die Wunden, um das Blut zu stillen. Gieße das Öl auf die Verbände! Das hilft gegen Fäulnis.«
    Etwas unschlüssig fragte der Küchenmeister, ob er nicht den herzoglichen Leibmedikus benachrichtigen solle. Sabina lächelte nur spöttisch, aber der Wundarzt regte sich auf.
    »Meister Kärgl, ich bitte Euch! Er wird uns aus fünf Büchern vorlesen, den Verletzten kaum ansehen und morgen über seinen Urin philosophieren. Ich verstehe Euch ja. Doktor Widmannstetter ist unserem Herzog lieb und teuer, aber lassen wir die Diplomatie und machen wir es wie für jeden anderen.«
    Kärgl bestand nicht weiter auf seinem Vorschlag. Er eilte zum Zehrgaden, der riesigen Speisekammer im Söller oberhalb der Küche, um auf Sabinas Befehl Salbei und einen kräftigen italienischen Wein zu holen.
    »Hör mir zu, Kind«, erklärte diese ihrer aufmerksamen Nichte. »Er hat viel Blut verloren, den feuchtwarmen Lebenssaft. Das wird der Glühwein, auch warm und feucht, ersetzen. Seinen Wunden aber, die von Raubtieren stammen, droht Fäulnis. Sie müssen trocknen. Deswegen nehmen wir Salbei, weil sich unsere Heilige Jungfrau Maria auf der Flucht nach Ägypten hinter einen Salbeibusch gerettet hat. Das reicht aber noch nicht. Es braucht auch warme, trockene Gewürze und viel Zucker, damit die schwarze Galle, die von den Löwenkrallen angeregt wurde, sich nicht
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