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Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman

Titel: Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
Autoren: Eve Rudschies
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oder? Dort durfte der Baumeister Überreiter immer hervorragende Arbeit leisten. Da vertraue ich ihm voll und ganz. Doktor Widmannstetter ist für den italienischen Bau seit fast zwei Jahren bei uns tätig. Warum ihn jetzt meucheln?«
    »Weil er meint, ich wäre ihm versprochen worden, Vater.« Anna Lucretias Stimme erstickte fast in Tränen. Ludwig war völlig verdutzt.
    »Versprochen? Versprochen? Nach dem Tod seiner Frau vor vier Jahren hat er um deine Hand angehalten. Du warst damals kaum 14 Jahre alt. Mir schien das viel zu früh. Ich habe ihn auf eine spätere Entscheidung vertröstet und ihm geraten, er möge sich nach einer gestandenen Witwe umsehen. Seine Kinder waren damals noch sehr klein.«
    »Er hat Euch anscheinend anders verstanden, liebster Vater. Mir beteuert er, er warte nur auf den Tag, an dem er wieder bei Euch um meine Hand bitten kann. Dann kam aber Johann Albrecht, ich meine Doktor Widmannstetter, der in meinem Herzen den Platz einnimmt, den Ihr mir erlaubt habt, ihm zu geben. Seit Michaeli, seit Ihr nämlich die Verlobung bestimmt habt, sucht mich der Baumeister immer wieder auf … «
    »Was?«, rief Sabina aufgebracht. »Das sagst du uns erst jetzt?«
    Das verschämte Mädchen rang verzweifelt nach Luft.
    »Was hätte ich tun sollen, liebste Tante? Er bedrängt mich nicht. Er will mich nur warnen, sagt er, damit ich mich nicht ins Verderben stürze. Johann Albrecht hätte als Student und als Gelehrter schon in Deutschland ein liederliches Leben geführt. In Rom als päpstlicher Sekretär habe er an schlimmen Ausschweifungen teilgenommen. Er erzählt von Duellen, Kurtisanen, von veruntreutem Geld! Seine Kenntnis des Hebräischen und des Arabischen, wofür er allseits so bewundert würde, gäbe ihm Zugang zu allerlei Hexerei. Ich, ja wir alle seien seine allzu willigen Opfer. Er soll ein verkappter Jude und Lutheraner sein, der über Landshut dem falschen Glauben in Bayern den Weg bereiten will. Ich sagte ihm mehrmals, er müsse Euch, Vater, das alles vortragen, wenn er diese Aussagen belegen kann. Er meinte, nur ich habe die Macht, diese Schlange von uns fernzuhalten.« Anna Lucretia zitterte am ganzen Leib. »Ich dachte, enttäuschte Liebe blendet ihn. Er tat mir leid. Ich dachte, ich müsste nur bis zur Verlobungsfeier durchhalten, danach würde er sich seinem Schicksal fügen. Er tut Johann Albrecht Unrecht, das weiß ich. Aber nie hätte ich angenommen, er könne ihm Gewalt antun.«
    Allein der Hofrat Weißenfelder behielt einen kühlen Kopf. Er schlug vor, die Vesper im Fürstenbau einzunehmen; er selbst würde zum Dürnitz gehen, wo sicher auch Überreiter seine Vesper einnehmen würde. Später käme er dann mit diesem zurück, sie sollten ohne Vorbehalt anhören, was er zu sagen habe. Niemand widersprach.
    Sabina ließ aus der Küche ein Blamensir für ihren Bruder kommen. Das delikate Mus aus gesottener Hähnchenbrust, Mandeln, leichtem Wein, Schmalz, kostbarem Reismehl und noch kostbarerem Zucker hielt sie zu dieser außergewöhnlichen Stunde für notwendig. Ludwig aß zur Vesper sowieso immer mehr als das übliche Brot mit Wein. Vor allem, so sagte sich Sabina, brauchte er jetzt eine Speise, die seine nach den Italienreisen grenzenlos gewordene Vorliebe für Süßes befriedigte und sein erhitztes Gemüt kühlte. Das tat der Zucker im Blamensir bestimmt wirkungsvoller als das wärmende Salz oder gar allzu heiße Gewürze wie Zimt oder Ingwer.
    Als das Mus auf dem Tisch im privaten Speisesaal des Herzogs stand, holte sie aus dem Zimmergewürzschränkchen kandierte Veilchen. Eigenhändig zermalmte sie diese in einem kleinen Marmormörser und gab das Pulver über die Speise. Ein zartes, kühles Lila überzog das cremeweiße Gericht. Sabina lächelte zufrieden.
    »Möchtet Ihr etwas davon, Doktor Widmannstetter? Gegen Wut und schwarze Galle hilft das Blamensir vortrefflich.«
    Der Gelehrte bedankte sich herzlich. Er wusste den Wert einer solchen Speise zu schätzen. Seine Frage, ob nicht die Fürstin und ihre Nichte auch davon essen würden, verneinte die Herzogin.
    »Wir Frauen bleiben bei Wein und Brot. Unser Blut ist kälter als das männliche. Später vielleicht, wenn wir den Baumeister angehört haben.«

3

    Am frühen Nachmittag kehrten Anna Lucretia und Widmannstetter, Sabina und Ludwig in das Arbeitszimmer des Herzogs zurück. Es dunkelte schon an diesem Novembertag. Große Kerzen und ein Kaminfeuer kämpften gegen das grünliche Licht der Butzenscheiben. Weißenfelder erwartete
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