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Süßer Tod

Süßer Tod

Titel: Süßer Tod
Autoren: S Brown
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gelöscht. Wie konnte ein einziges Glas Wein ihr Erinnerungsvermögen auslöschen? Das war nicht möglich. Es sei denn … es sei denn …
    »K.-o.-Tropfen.«
    Erst als die drei Männer sie mit offenem Mund ansahen, begriff sie, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte. Sie trat innerlich einen Schritt zurück, ließ sich noch einmal durch den Kopf gehen, was sie eben gesagt hatte, und erkannte, dass sie möglicherweise – nein, höchstwahrscheinlich – den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    »Offenbar hat man mir eine der Substanzen verabreicht, die man gemeinhin als Vergewaltigungsdrogen bezeichnet.« Die beiden Polizisten und der Anwalt standen vor ihr und starrten sie an, als würde sie Chinesisch sprechen. »Sie lösen einen temporären Gedächtnisverlust aus«, erklärte sie schon etwas ungeduldig. »Ich habe eine Reportage über diese Mittel gemacht. Nach einem Vorfall an der Clemson University machten sich viele Menschen Sorgen, denn diese Drogen tauchen immer öfter bei Partys oder in Bars auf, in denen sich junge Leute treffen. Sie löschen vorübergehend das Gedächtnis. Manchmal kommt die Erinnerung nicht wieder. In jedem Fall wurde der Schaden angerichtet, bevor die Wirkung wieder nachlässt.«
    Sie sah die Männer nacheinander an und wartete darauf, dass
sie ihre Begeisterung über diese glaubwürdige Erklärung für ihren Blackout teilten. Stattdessen starrten alle drei sie wie vom Blitz getroffen an. Sie bemerkte bitter: »Blinzeln Sie, wenn Sie mich hören können.«
    »Wir können Sie hören, Ms Shelley«, bestätigte Clark.
    »Und? Begreifen Sie nicht? Man hat so eine Droge in meinen Wein gegeben. Die Wirkung setzt sehr schnell ein. Das würde erklären, warum ich mich an nichts erinnern kann, nachdem wir in Jays Wohnung kamen.«
    »Was ist mit der leeren Flasche Scotch?«, fragte Javier.
    »Ich kann Scotch nicht ausstehen. Ich trinke nie Scotch. Wenn Jay mir welchen angeboten hätte, hätte ich ihn abgelehnt, vor allem, nachdem ich mich sowieso nicht gut fühlte.«
    »Wir haben Ihre Fingerabdrücke an einem der Gläser gefunden. Und Spuren Ihres Lippenstifts am Glasrand.«
    »Sie haben die Gläser untersucht? Warum das?«
    Die beiden Detectives wechselten einen Blick. Clark sagte: »Fangen wir ganz von vorne an und gehen alles noch einmal durch. Erzählen Sie uns, was passiert ist.«
    »Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich kann Ihnen nur erzählen, woran ich mich erinnere.«
    »Okay, dann erzählen Sie uns, woran Sie sich erinnern. Es stört Sie doch nicht, wenn wir Ihre Aussage diesmal aufzeichnen, oder?«
    Clarks beiläufiger Tonfall alarmierte sie. »Warum möchten Sie das?«
    »Damit wir es auf Band haben und nötigenfalls darauf zurückgreifen können, um uns die Details in Erinnerung zu rufen.«
    Sie misstraute seiner Erklärung genauso wie seinem strahlenden Autoverkäuferlächeln und sah ihren Anwalt an, der daraufhin erklärte: »Das ist so üblich, Ms Shelley. Sie können trotzdem auf jede Frage die Antwort verweigern.«
    »Ich will die Fragen ja beantworten. Ich wüsste die Antworten selbst gern. Wahrscheinlich noch lieber als die beiden.«

    Sobald sie den Notruf gewählt hatte, war sie in das zermürbende Mahlwerk geraten, das sich nach einem plötzlichen Todesfall in Bewegung setzt – die Erklärung des Gerichtsmediziners, dass Jay tatsächlich tot war, die Befragung durch die Polizei, der Papierkram. Bis jetzt hatte sie noch keine Zeit gehabt, sich zu fragen, was das alles für sie persönlich bedeutete. Sie war noch nicht einmal dazu gekommen, den Verlust ihres Freundes zu betrauern.
    Auch jetzt ging das nicht. Nicht bevor sie diese Unannehmlichkeiten hinter sich gebracht hatte. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, wiederholte sie: »Ich will um jeden Preis erfahren, was mit Jay passiert ist.«
    »Dann sind wir uns ja einig.« Javier setzte sich an den kleinen Tisch und winkte sie zu dem Stuhl vor der Videokamera. »Kamerascheu sind Sie wohl nicht.«
    Auch diesmal musste sie bei seinem Grinsen an scharfe Klingen denken, die sich durch weichen Samt bohrten. Sie wandte den Blick ab und setzte sich. Clark stellte die Kamera scharf, nannte Uhrzeit, Datum und die Namen aller Anwesenden und setzte sich dann an die Tischkante, wo er sein dünnes Bein vor und zurück baumeln ließ. »Wer hat wen angerufen?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wer hat das Treffen angeregt?«
    »Jay, das habe ich Ihnen doch schon erklärt.«
    »Wir können die Telefonate überprüfen.« Javiers
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