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Süßer Tod

Süßer Tod

Titel: Süßer Tod
Autoren: S Brown
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Heimatstadt, seine Kindheit oder seine Eltern, eine frühere Beschäftigung, Kinder oder eine Ehefrau. Er redete ausschließlich mit seinen Hunden und mit Raley. Seine Intimbeziehungen beschränkten sich auf einen Stapel zerlesener Nackedei-Heftchen, die er unter seiner Pritsche versteckt hatte.
    Auch Raley erzählte Delno nichts aus seinem Leben. Wenigstens nicht während der ersten zwei Jahre ihrer Bekanntschaft. Bis Delno eines Abends bei Sonnenuntergang vor Raleys Hütte stand, unter die Arme zwei Einmachgläser mit einer schlammigen Flüssigkeit geklemmt, die er selbst fermentiert hatte.

    »Hab dich die ganze Woche nicht gesehen. Wo hast du gesteckt?«
    »Hier.«
    Raley wäre lieber allein geblieben, aber Delno hatte sich schon in seine Hütte gedrängt. »Dachte, du könntest vielleicht einen Schluck vertragen.« Er musterte Raley abfällig. »Wenn ich dich so sehe, hab ich wohl richtig gedacht. Du siehst wirklich übel aus. Konnte dich schon unten an der Veranda riechen.«
    »Ausgerechnet du willst das Aussehen und die Körperhygiene anderer Leute kritisieren?«
    »Wen hast du angerufen?«
    »Wie bitte?«
    »Dieses Plappermaul an der Kasse im Laden? Die mit der Zuckerwattefrisur und dem Gehänge an den Ohren? Die hat mir erzählt, du bist letzte Woche reingekommen, hast dir eine Handvoll Münzen geben lassen und damit das Telefon vor dem Laden gefüttert. Sie hat gesagt, du hast kurz telefoniert, dann hast du aufgelegt, und danach hast du ausgesehen, als wolltest du gleich wen umbringen. Dann bist du in deinen Truck gestiegen und losgerast, ohne deinen Einkauf zu zahlen, sagt sie.«
    Er öffnete eines der Gläser und reichte es Raley, der kurz daran schnüffelte und es dann kopfschüttelnd zurückgab. »Darum frage ich«, fuhr Delno nach einem tiefen Schluck aus dem Glas fort, »wen hast du angerufen?«
    Der Morgen dämmerte schon, als Raley fertig erzählt hatte. Bis dahin hatte Delno beide Gläser geleert. Raley fühlte sich ebenfalls leer – emotional, mental, körperlich. Es war eine schmerzhafte, aber therapeutische Katharsis gewesen. Ein ganzes Dutzend eitriger Wunden hatte er dabei aufgestochen.
    Als alles gesagt war und Raley keine Kraft mehr zum Reden hatte, sah er den alten Mann an, der stundenlang zugehört hatte, ohne einen Ton von sich zu geben. Das faltige, lederige Gesicht zeigte tiefe Trauer. Zum ersten Mal, seit sie sich kennengelernt hatten, sahen ihn die alten Augen offen und ohne Argwohn an,
und Raley begriff, dass er in die Seele eines Menschen blickte, der unaussprechlichen Kummer durchgemacht hatte. Es schien, als hätte Delno Pickens alles Leid und alle Ungerechtigkeit der Welt in diesen einen hoffnungslosen Blick gepackt.
    Dann seufzte er und streckte, obwohl sie sich noch nie berührt hatten, die Hand aus, um Raleys Knie zu tätscheln. »Geh und wasch dich unter den Armen, sonst kotz ich den ganzen guten Schnaps wieder aus, weil du so stinkst. Ich mach dir solange Frühstück.«
    Sie sprachen nie wieder über das, was Raley in jener Nacht erzählt hatte. Es war, als hätte es diese Nacht nie gegeben. Aber Raley hatte nie vergessen, wie leidgeprüft Delno ihn damals angesehen hatte.
    »Was ist?« Raleys Herz setzte einen Schlag aus, und ihm schoss automatisch das Wort Katastrophe durch den Kopf. Eine vollbesetzte 747, die in einen Berg gekracht war. Ein Anschlag auf den Präsidenten. Ein terroristisches Attentat wie der Angriff auf das World Trade Center.
    »Mach jetzt bloß keine Dummheiten, okay?«, warnte ihn Delno.
    »Was ist denn los?«
    Unter griesgrämigen Flüchen über das »beschissene Programm da« nickte Delno zum Fernseher hin.
    Raley trat an den uralten Apparat, drehte die Lautstärke auf und hantierte an der Zimmerantenne herum, um ein besseres Bild zu bekommen.
    Das Bild blieb verschneit und der Ton kratzig, trotzdem war ihm Sekunden später klar, was passiert war und warum Delno nicht den Mut aufgebracht hatte, es ihm zu erzählen.
    Jay Burgess war tot.

D ie glauben mir nicht, stimmt’s?«
    Britt richtete die Frage an den Fremden, den sie als Anwalt engagiert hatte. Seit sie entdeckt hatte, dass Jay neben ihr im Bett gestorben war, waren vierundzwanzig Stunden vergangen, trotzdem gab sie die Hoffnung nicht auf, dass alles nur ein schrecklicher Traum sein möge, aus dem sie bald wieder erwachen würde.
    Leider war alles absolut real.
    Kurz nach ihrem hektischen Anruf in der Notrufzentrale waren ein Notarzt und zwei Polizisten in Jays Stadthaus erschienen. Wenig
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