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Süßer Tod

Süßer Tod

Titel: Süßer Tod
Autoren: S Brown
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Genauso wenig wie das mehrmalige Spülen der Toilette.
    Wie konnte er all das verschlafen? Er hatte sich nicht einmal …
    Bewegt.
    Ihr Magen hob sich wie auf einer Flutwelle. Ätzender Schleim schoss ihr in die Kehle, und sie hatte Angst, sich gleich wieder
zu übergeben. Sie schluckte schwer. »Jay?«, fragte sie zaghaft. Dann lauter: »Jay?«
    Nichts. Kein Seufzen und kein Schniefen. Nicht die leiseste Bewegung.
    Wie angewurzelt stand sie da und spürte ihr Herz klopfen. Dann setzte sie sich widerstrebend in Bewegung, trat ans Bett, legte die ausgestreckte Hand an seine Schulter und rüttelte sie mit aller Kraft. »Jay!«

U nter dem quietschenden Protest der Scharniere zog Raley die verrostete Fliegentür auf. »Hey! Bist du da?«
    »Bin ich doch immer!«
    Ein ausgeblichener roter Lacksplitter löste sich, als der Holzrahmen hinter Raley zuschlug und er in die winzige Hütte trat. Es roch nach gebratenem Schweinefleisch und nach der mäuselöchrigen Armeedecke auf der Pritsche in der Ecke.
    Seine Augen brauchten ein paar Sekunden, bis sie sich an die Dunkelheit gewöhnt und den Alten entdeckt hatten. Er saß an seinem dreibeinigen Tisch, über seine Kaffeetasse gekrümmt wie ein bissiger Hund, der einen mühsam erkämpften Knochen bewacht, und starrte auf den verschneiten Bildschirm eines Schwarz-Weiß-Fernsehers. Geisterhafte Schemen zogen über das Bild. Aus dem Lautsprecher kam nur statisches Rauschen.
    »Guten Morgen.«
    Der Alte schnaubte einen Willkommensgruß durch die buschigen Nasenhaare. »Nimm dir ein’.« Er nickte zu der Emailkanne auf dem Herd hin. »Aber besser ohne Sahne. Die hat über Nacht einen Stich gekriegt.«
    Raley stieg über die drei reglos am Boden liegenden Jagdhunde hinweg und trat an den Kühlschrank, der eingeklemmt zwischen einer zur Speisekammer zweckentfremdeten antiquierten Kuchenvitrine und einem Werktisch stand, der keinerlei Zweck erfüllte, außer Staub anzusammeln und den verfügbaren Platz in der übervollen Hütte zu verstellen.
    Der Griff am Kühlschrank war abgerissen, wahrscheinlich schon vor Jahrzehnten, aber wenn man die Finger an der richtigen Stelle
in die weiche Gummidichtung bohrte, konnte man die Tür aufbekommen. »Ich habe dir Fisch mitgebracht.« Raley legte den in Zeitungspapier eingewickelten Katzenwels auf ein rostiges Kühlschrankgitter und schloss hastig die Tür vor dem Duftgemisch aus saurer Sahne und allgemeiner Verwesung.
    »Hab zu danken.«
    »Gern geschehen.« Der Kaffee war wahrscheinlich mehrmals aufgekocht worden und hatte mittlerweile die Konsistenz von frischem Asphalt angenommen. Ohne Sahne zur Verdünnung verzichtete Raley dankend.
    Er warf einen Blick auf den stummen Fernseher. »Du musst deine Hasenohren neu ausrichten.« Dabei streckte er eine Hand nach der schleifenförmigen Zimmerantenne aus.
    »Das sind nicht die Hasenohren. Ich hab den Ton abgestellt.«
    »Wieso das?«
    Der alte Mann reagierte mit einem rituellen Schnauben, das heißen sollte, dass er sich nicht zu einer Antwort herablassen würde. Der selbst ernannte Eremit hauste seit »dem Krieg« im frei gewählten Exil, wobei er sich nie genauer darüber ausgelassen hatte, welchen Krieg er meinte. Er wollte so wenig wie möglich mit anderen Homo sapiens zu tun haben.
    Kurz nachdem Raley in seine Nachbarschaft gezogen war, hatten sich ihre Wege im Wald gekreuzt. Raley hatte gerade in die Knopfaugen einer toten Beutelratte gestarrt, als der alte Mann durchs Unterholz gekracht kam und ihn angegeifert hatte: »Denk nicht mal dran!«
    »Woran?«
    »Mir mein Opossum wegzunehmen.«
    Den grauenvoll stinkenden, aufgedunsenen und mit Fliegen übersäten Kadaver mit dem rosa Schwanz anzurühren war so ziemlich das Letzte, was Raley in den Sinn gekommen wäre. Er hob kapitulierend die Hände und trat beiseite, damit der barfüßige alte Mann im fleckigen Overall seine Beute aus dem Metallkiefer der kleinen Falle lösen konnte.

    »So wie du hier rumtrampelst, hätt’s mich nicht gewundert, wenn du in meiner Falle gelandet wärst und nicht das Opossum«, grummelte er.
    Raley war davon ausgegangen, dass um die Hütte, die er kürzlich erworben hatte, meilenweit niemand lebte. Er brauchte keinen Nachbarn, schon gar keinen, der über sein Kommen und Gehen Buch führte.
    Als der alte Mann aufstand, protestierten seine Knie mit so lautem Knacken und Knirschen, dass er unter Schmerzen das Gesicht verzog und einen Schwall von Flüchen ausstieß. Den baumelnden Kadaver in der Hand haltend, taxierte
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