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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Newman
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mich an.
    »Ich weiß nicht, ob ich nach dem Püree noch Nachtisch essen kann. Such du was aus und entschuldige mich einen Moment.«
    Leicht schwankend gehe ich zur Damentoilette. Als ich zurückkomme, hat Will unser Dessert bestellt.
    »Der Mann, der dich damals abgeholt hat«, beginnt er. »Bist du mit ihm zusammen?«
    Bei der Erinnerung an den Tag zieht sich mein Herz zusammen. Nach Halt suchend greife ich nach meinem Weinglas, doch das ist leer. »Sollen wir noch ein Glas trinken?«
    »Sicher, wenn du magst. Sophie – was hast du denn plötzlich?«
    »Nichts, mir geht’s gut. Nein, wir sind nicht zusammen. Warum fragst du?«
    »Aus reiner Neugier. Er machte einen sehr selbstzufriedenen Eindruck, das ist mir damals aufgefallen.«
    »Er war – jemand, den ich mal gekannt habe.«
    Der Kellner tritt an unseren Tisch und stellt eine Schale mit Püriertem ab.
    »Das ist nicht für uns«, sage ich.
    »Doch«, sagt Will betreten.
    »Im Ernst? Na, du bist ja mutig.« Ich klatsche ihn ab. Er atmet auf und strahlt. Es muss an meinem Weinrausch liegen, aber ich kann gar nicht fassen, wie unglaublich perfekt seine Zähne sind.
    »Es ist schon vier Uhr.« Will hilft mir in den Mantel. »In einer Stunde müssen wir wieder am Bahnhof sein. Gibt es irgendetwas, das du bis dahin gern tun möchtest?«
    »Eigentlich wollte ich Maggies Brioche-Kontakt kennenlernen, aber bei dem hätten wir vor einer guten Stunde sein müssen. Lass uns zu Colette gehen. Ich glaube, das liegt nur ein paar Straßen von hier entfernt.«
    »Wer oder was ist Colette?«
    »Etwas sehr Lustiges.«
    Wir betreten das Geschäft. Ein bulliger Türsteher zeigt auf meinen Schirm und verlangt, dass ich ihn abgebe.
    »Muss ich wirklich?«, frage ich. »Ich weiß jetzt schon, dass ich ihn nachher vergesse.«
    »Niemals«, sagt Will. »Es regnet in Strömen.« Er schaut sich um. »Das ist doch alles nicht wahr, oder?«
    Vor den Auslagen drängen sich Japaner, reiche Kids und schicke Frauen, die allesamt darauf aus sind, etwas zu kaufen, ganz gleich, was, Hauptsache, es gibt ihnen das Gefühl, anderen etwas voraus zu haben. Ich entdecke einen kleinen Bär aus Holz für tausend Euro. Wenn ich den hätte, könnte ich allen, die mich in der Schule gequält haben, zeigen, wie toll ich geworden bin.
    »Sieh dir diesen Schal an«, sagt Will. »Im ersten Moment dachte ich, darauf wären kleine Kronen.« Tatsächlich besteht das Muster aus zwei nackten, vollbusigen Frauen, die einen Schneeleopard besteigen. »Achthundertfünfundvierzig Euro! Na, wenn das kein Schnäppchen ist. Weißt du, dass mein Schal noch bei dir ist? Eigentlich schuldest du mir ja einen neuen und der da wäre doch nicht schlecht, oder?«
    »Warte, ich hole mein Portemonnaie hervor. Wir kaufen zwei zusammenpassende, für sie und ihn, vielleicht kriegen wir dann Rabatt.«
    Will lacht. »Nein, jetzt mal im Ernst, wer kauft denn so was? Ich sag es nicht gern, aber bei uns im Norden haben wir früher Kohle zum Frühstück gegessen.«
    »Der da ist auch nicht schlecht.« Ich zeige auf einen leuchtend blauen Kunstpelz mit Strass-Knöpfen, trete näher und streiche darüber. Er fühlt sich weicher an als ein echter Pelz.
    »Probier ihn mal an«, schlägt Will vor.
    Er winkt jemanden vom Sicherheitspersonal herbei, der den Mantel entsichert. Ich schaue auf das Preisschild. Der Mantel kostet so viel wie zweitausend Tafeln ecuadorianische Trüffelschokolade. Ich schlüpfe hinein, voller Panik, ihn in meinem angetrunkenen Zustand einzureißen und eine Hypothek auf meine Wohnung aufnehmen zu müssen.
    »Sehr glamourös.« Will macht einen Schritt zurück und bedeutet mir, mich im Kreis zu drehen.
    »Wie sehe ich aus?«, erkundige ich mich besorgt. »Wie eine Köchin, die einen auf Las Vegas macht?«
    »Die Glitzerknöpfe wirken ein wenig übertrieben, aber sonst steht er dir perfekt. Du siehst wundervoll aus.«
    Ich halte inne und schaue ihn an. Es muss wirklich am Wein liegen, denn ich finde, seine Augen haben eine außerordentlich schöne schiefergraue Farbe. Wir stehen dicht voreinander, dichter, als es bei guten Bekannten üblich ist. Ich weiß, dass ich Will nicht anstarren sollte, aber in seinem Blick liegt etwas, das mich dazu zwingt. O Gott, wohin soll das führen? Ich arbeite mit Will, nein, ich habe mit ihm gearbeitet. Er ist geschieden und ein wenig zu klein. Er wohnt in einer anderen Stadt, hat womöglich eine Freundin. Das hier ist kein Date. In einer Stunde bin ich wieder nüchtern und werde mich albern
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