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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Newman
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fragt er verwundert, als könne er ein solch kleinliches Ansinnen kaum fassen.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, ja.«
    »Die alte Schirmregel, stimmt’s? Der eine kommt, der andere geht.«
    »Vor allem, wenn es draußen regnet, nicht?«
    Er schnauft entnervt. »Nehmen Sie ihn ruhig. Auf einen kaputten Schirm für zwei Pfund kann ich verzichten.«
    Oh, Verzeihung, tut mir leid, dass mein Schirm weder zu einer limitierten Auflage gehört noch aus Japan kommt oder mit nackten Tierschänderinnen bedruckt ist. Wenn Sie mir den Nächsten klauen wollen, werde ich darauf achten, einen Schickeren dabeizuhaben.
    Der Typ schüttelt angesichts meiner Armseligkeit den Kopf, steht auf und verschwindet in Richtung Bistro.
    »Sag mal, hat dieses Gespräch gerade wirklich stattgefunden?«, frage ich Will. »Der Typ hat sie doch nicht mehr alle, oder?«
    »Wahrscheinlich nicht. – Hast du die Tafel Schokolade noch?«
    »Warum? Willst du ihn damit erschlagen?«
    »So ungefähr. Du darfst aber nicht lachen.«
    »Was hast du denn vor?« Ich reiche ihm die Schokolade.
    »Warte.«
    Will steht auf, geht ins Bistro, kehrt mit zwei Gin Tonic zurück und lacht in sich hinein. Wenig später kommt auch der Schirmdieb wieder. Er hält eine große Dose Guinness in der Hand.
    »Was ist los?«, flüstere ich.
    »Gut Ding will Weile haben«, sagt Will und lehnt sich mit leisem Lächeln zurück.
    Ich nehme einen großen Schluck. »Hm, gut, mit viel Limone.«
    »Ich liebe Limonen«, sagt Will.
    »Ich auch! Aber nur in Alkohol und scharf Gewürztem. Nicht in Desserts, nur bei Limonen-Tartes bin ich bereit, eine Ausnahme zu machen.«
    »Weißt du, dass man Key Lime Pie auch Mexican Pie nennt?«
    »Hm.« Ich trinke noch einen Schluck. »Eine mexikanische Limonen-Tarte, warum nicht? Ich mag Tartes, deren Belag nur aus Limonen und Avocados besteht, aber den darf man nicht mitbacken. Es gibt nichts Schlimmeres als heiße Avocado.«
    »Fast so schlimm wie Hühnchen-Sushi.«
    »Was?«
    »Ja, aus rohem Huhn, das isst man in Japan.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Doch, ich habe es dort selbst auf der Speisekarte gesehen. Lass uns lieber wieder über deine Idee für die Tarte sprechen. Wir nehmen also Avocados und natürlich Limonen.« Um seine Mundwinkel zuckt ein Lächeln.
    »Für den Boden könnten wir Blätterteig nehmen – ach nein, der ist zu weich, erst recht mit den Avocados. Vielleicht Tortilla-Chips?«
    »Avocados auf Tortilla-Chips?« Will zieht die Augenbrauen hoch.
    Ich nicke.
    »Ich glaube, so etwas gibt es schon. Man nennt es Guacamole.«
    »Nein, oder … meinetwegen, aber mir schwebt etwas anderes vor. Man könnte das Ganze kreisförmig machen – nein, dreieckig. Ja, genau, dann erinnert es an einen riesigen Tortilla-Chip, den wir mit Chips umranden – die sähen dann aus wie Zähne, ich meine, keine gruseligen Zähne, sondern nette. – Guck mich nicht so an, ich bin nicht betrunken. Ich finde, das ist eine geniale Idee. Sag mal, ist hier zufällig ein doppelter Gin drin gewesen?«
    »Schon möglich.« Will lacht. »Ich wusste ja nicht, dass du den so schnell hinunterkippst. Warte, ich hole dir einen neuen.« Er steht auf.
    »Nein, nein, jetzt bin ich an der Reihe.« Ich wanke zum Zug-Bistro und hoffe, dass Will und ich trotz meiner Kündigung in Kontakt bleiben. Ich glaub, ich würde ihn sonst vermissen.
    Bei meiner Rückkehr wirkt Will ausgesprochen heiter.
    »Was amüsiert dich denn so?«, frage ich.
    »Nichts – gar nichts. Weißt du schon, was du nach deiner Zeit bei Fletchers machst?«
    »Na ja, ich habe da so eine Idee.«
    »Und wie sieht die aus?«
    »Das ist alles noch sehr geheim. Im Zug darf man darüber erst recht nicht sprechen, man weiß nie, wer einen da belauscht.«
    »Warum flüsterst du es mir dann nichts ins Ohr?«
    »Das würde gehen.« Ich beuge mich zu ihm vor, und er kommt mir auf halbem Weg entgegen.
    Meine Lippen sind nur noch einen Zentimeter von Wills Ohrläppchen entfernt, fast berühren sich unsere Gesichter.
    Würde er den Kopf ein wenig drehen, würden wir uns küssen.
    Ich glaube, das würde mir gefallen.
    Ein Ruck zu meiner Linken lenkt mich ab. Muss der Schal-Typ denn ausgerechnet jetzt aufstehen? Umständlich zwängt er sich an mir vorbei.
    Ich glaube, ich traue meinen Augen nicht. Ich schaue Will an, der offenbar Mühe hat, ernst zu bleiben. Er nickt. Das bedeutet, du hast richtig gesehen, das habe ich tatsächlich gemacht.
    Der Typ durchquert den Wagen. Einige der Reisenden schauen ihm nach und
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