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Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Süße Teilchen: Roman (German Edition)

Titel: Süße Teilchen: Roman (German Edition)
Autoren: Stella Newman
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eingenickt.«
    »Entschuldige, dass ich so unhöflich war.«
    »Ich fand es süß. Du hast dich wie eine Schlafmaus zusammengerollt.«
    »Das muss an den bequemen Sitzen liegen. Ich bin es nicht gewöhnt, Business Class zu reisen. Dafür zahlt Fletchers nur, wenn man zu den Schalthebeln gehört.«
    »Wozu?«
    »So werden die Mitglieder der Geschäftsleitung genannt. Sie sind die Schalthebel, die unsere strategische Maschinerie zum Laufen bringen.«
    »Und Devron ist natürlich der Größte«, sagt Will, ohne eine Miene zu verziehen.
    »Er ist die gesamte Konsole.« Ich unterdrücke ein Lachen.
    »Wie sieht unser Plan aus?«, erkundige ich mich, als wir uns in die Warteschlange für die Taxis einreihen.
    »Jetzt ist es elf Uhr. Im Costes habe ich für halb eins gebucht. Wir könnten über St. Germain zu Gilles Fevier fahren und am Louvre entlang zurückgehen.«
    »Wer ist Gilles Fevier?«
    »Ein sehr angesagter Chocolatier. Wundert mich, dass du ihn nicht kennst.«
    »Macht er auch interessante Verpackungen?«
    »Warum? Willst du hier Verpackungen recherchieren?«
    »Eigentlich nicht, aber wenn Appletree für alles zahlt, dann muss ich doch wenigstens –«
    »Sophie«, fällt Will mir ins Wort. »Warum amüsierst du dich nicht einfach? Ganz ohne Schuldgefühle. Genieß die Zeit in Paris, das hast du dir doch verdient.« Er hält mir die Tür eines Taxis auf.
    Als wir über die breiten Boulevards in Richtung Seine fahren, beschließe ich, genau das zu tun.
    Die Chocolaterie ist unvergleichlich. Jede Wand ziert ein Riesenfoto von Gilles Fevier mit vor der Brust verschränkten Armen, langem schwarzem, zerzaustem Haar und der Aufschrift Je suis un artiste du chocolat .
    »Hm«, macht Will. »Ein Schokoladenkünstler. Das ist noch untertrieben.«
    Die Schokoladen sehen phantastisch aus: winzige architektonische Gebilde mit Namen wie Dunkler Satin des Schicksals und Orchidee aus Paraguay .
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragt eine Verkäuferin, nachdem wir uns eine Weile umgesehen haben.
    »Ich hätte gern etwas weniger Prätentiöses«, erwidert Will.
    »Pardon?«
    »Ich dachte da an Vollmilchschokolade.«
    »Milch? Vielleicht unsere Schokolade aus Ecuador mit Ziegenmilch und Hibiskus-Trüffeln, bestehend aus achtzig Prozent reiner Schokolade und garniert mit luftgetrockneten Ziegenmilchraspeln?«
    »Klingt großartig«, flüstert Will mir ins Ohr. »Sollen wir die kaufen?«
    »Wie teuer ist sie?«, fragt er laut.
    »Das richtet sich nach dem Gewicht.«
    »Wir nehmen zwei Tafeln à zweihundert Gramm.«
    Nachdem Will um acht Euro ärmer geworden ist, verlassen wir den Laden.
    »Mir ist jetzt schon schlecht«, bemerke ich. »Vier Euro für eine Tafel Schokolade?«
    »Andere Länder, andere Sitten.« Will bricht ein Stück Schokolade ab und schiebt es sich in den Mund. »O Gott.«
    »Nicht gut?«
    »Gut trifft es nicht, nein.« Kopfschüttelnd überreicht er mir die zweite Tafel.
    »Die hebe ich mir für später auf«, sage ich und lasse sie in meiner Handtasche verschwinden.
    Von unseren Plätzen im Hotel Costes schauen wir in einen wunderschönen Innenhof. Es regnet wieder, doch wir sitzen in weichen Samtsesseln, umgeben von den zarten Gerüchen eines luxuriösen Boutique-Hotels – dem Duft einer Nachthyazinthe, Kerzen, die nach Zedern- und Sandelholz riechen. Ringsum sitzen neureiche Europäer, die Luftküsse tauschen oder in ihrem Essen herumstochern.
    »Ich dachte, hier könnte es dir gefallen«, sagt Will. »Man kann die Gäste beobachten, und das Essen ist einzigartig.«
    Wir bestellen jeder ein Steak mit püriertem Gemüse. Dazu trinken wir zwei Flaschen Wein. Unterdessen überlegen wir, ob der ältere Herr in der engen Lederhose, der in den letzten Stunden viermal an uns vorbeigekommen ist, eine schwache Blase hat, sich auf der Toilette Koks reinzieht, der französische Doppelgänger eines englischen Nachtklubbesitzers namens Peter Stringfellow ist oder alles auf einmal.
    »Ich will das jetzt wissen«, sagt Will und steht auf. »Bin gleich wieder da. Such uns schon mal einen Nachtisch aus.« Er folgt dem Lederhosen-Typ auf die Herrentoilette.
    Ich widme mich der Karte mit den Desserts und stelle plötzlich fest, dass ich mich tatsächlich amüsiere. Das kommt so überraschend, dass ich regelrecht panisch werde, als hätte ich mit einem Mal entdeckt, dass mir mein Glätteisen noch in den Haaren hängt.
    Will kehrt zurück. »Ich bin immer noch nicht schlauer. Hast du was Schönes entdeckt?« Er setzt sich und lächelt
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