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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)
Autoren: Claudia Schreiber
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nehmen.
    Da besann sich Opa plötzlich: »Nein, tu das nicht, wer weiß, was die beiden bei der Wehrmacht angestellt haben. Da schadet ein später Schrecken nicht.« Er hielt kurz
inne: »Auch denen vom TÜV , wenn sie hier rumlaufen. Aber nicht treffen, nur verscheuchen«, warnte er. »Und vergiss die vom Finanzamt nicht, falls die überhaupt durch
Plantagen gehen, diese asthmatischen Stubenhocker.«
    Die Alten hatten Früchte probiert, sie durften das, weil es Opas Freunde waren und es sich dabei um wenige Kirschen handelte. Wenn weder er noch Nette das
Ernten gestattete, war es natürlich verboten. Im Sommer hatte Annie deshalb in der Plantage nicht nur die Stare zum Feind, sondern zusätzlich die Diebe. Spaziergänger durften ruhig
mal die Hand über den Zaun strecken und einzelne Kirschen kosten, dagegen hatte niemand etwas. Doch es gab fremde Leute, die kamen mit Eimern oder großen Körben, stiegen über
den Zaun, pflückten die Früchte und wollten sie wegschleppen, ohne zu bezahlen.
    Sie schlich sich leise an, duckte sich, atmete so leise wie möglich und ließ die Leute gewähren. In der Zwischenzeit fraßen die Stare wie verrückt, aber was sollte sie
machen? Man konnte ja schließlich nicht laut und leise zugleich sein. Ihr Versteck verließ Annie erst, wenn die Fremden gehen wollten, dann rannte sie los und brüllte mal wieder.
Immer brüllen, nie sprechen, das war ihre Methode bei Erwachsenen.
    Die Ertappten bekamen einen Riesenschreck, wenn sie so plötzlich auftauchte – ein Mädchen, das offensichtlich am halb nackten Körper mit Blut bespritzt war. Verdattert
liefen sie davon und ließen ihre Ernte zurück. Diese lieferte Annie daheim ab und behauptete, die Früchte selbst gepflückt zu haben. Dafür bekam sie von Nette einen
Extralohn, das nannte sie Business.
    Es gab andere Diebe, die stehen blieben, sich schämten und entschuldigten. Wenn Annie dann kein Wort sagte, sondern nur dastand und die flache Brust rausstreckte, um sich auf diese Art
wichtig zu machen, fragten die Fremden verschämt, ob sie die Kirschen bezahlen durften. Das war der Moment, in dem sie einfach nur zu nicken brauchte, sie bekam ihr Geld bar auf die
dargebotene Hand und verschwieg die Sache daheim, das nannte sie Stil.
    In diesem Sommer nun, kurz vor Annies vierzehntem Geburtstag, kam unerwartet eine Gruppe Jugendlicher nicht vom Dorf, sondern von der anderen Seite her, mit Mopeds durch die
Kornfelder; sie hatten keine Gefäße dabei. Es sind Bekloppte, die sich benehmen werden wie Affen, wenn sie erst einmal in die Plantage eindringen, das war Annie klar. Mittendrin erkannte
sie Fritzi, ihre im Grunde einzige Freundin, die jeden Unsinn mitmachte und immer von einer Meute umgeben war. Sie stürmten tatsächlich den Zaun, rissen die halb reifen Früchte von
den Bäumen und warfen sie auf den Erdboden, grölten dummes Zeug, kletterten schließlich auf die dürren Äste und sprangen heftig darauf herum, bis sie brachen.
    Annie brüllte vor Zorn, hätte die Eindringlinge liebend gern von den Bäumen geschossen, sie rannte unüberlegt eine kleine Erhebung hinauf, wo sie sonst nie lief,
blindwütig den Feinden entgegen, brüllend natürlich. Da brach eine dünne Kruste, Annies Füße tauchten in einen zähen Brei, sie kippte nach vorn und versank. Seit
Jahren war hier am Rand der Plantage zähflüssiger Dünger gelagert, ein riesiger Haufen Hühnerkot, den sie komplett vergessen hatte und der längst mit Unkraut
überwachsen war. Annie rappelte sich auf, schimpfte verzweifelt vor sich hin, am ganzen Körper mit Scheiße bekleckert. Ihr war sofort klar: Diese Menschen werden noch dreißig
Jahre später grölen, weil sie sonst nichts weiter erleben in ihren armseligen Leben mit ihren billigen Berufen. In ihren popligen Discos werden sie es verbreiten, werden weiterlachen in
den Festzelten ihrer faden Viehmärkte. Sogar am Spielfeldrand des erfolglosen FC Wolke Null Sechs werden sie wieder und wieder erzählen, was passiert ist. All das sah Annie auf sich
zukommen, ewig würde der Tratsch währen, erbärmlich war ihr bei diesem Gedanken zumute. Sie werden sich nicht mal scheuen, in goldenen Buchstaben Hühnerkacke auf ihren Grabstein zu meißeln, fürchtete sie, als sie versuchte, aus dem Schlamassel zu kommen, alles stank höllisch und war klebrig zäh.
Sie atmete durch den Mund und hoffte, dass ihr so besser würde, doch der Ekel ließ sie würgen, beinahe zusammenbrechen.
    Schließlich sprach Fritzi ein
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