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Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Titel: Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
Autoren: Phil Rickman
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bald zu einem neuen Freizeitzentrum kommen, teilfinanziert mit Lottomitteln, inklusive Squash-Courts, Schwimmbad und Sonnenstudio.
    «Also sind wir gewachsen», fuhr er fort, «und wir haben überlebt. Denken Sie daran. Denken Sie daran, was wir jetzt zu verlieren haben.»
    Raunen im Publikum.
    «Denken Sie an die Poststelle», sagte Pierce. «Sie haben erlebt, in wie vielen anderen Dörfern sie geschlossen wurde. Und Sie haben erlebt, wie unsere von ihrem eigenen Gebäude in einen winzigen Verschlag hinten im Gemischtwarenladen umziehen musste.»
    Zwei Reihen vor Merrily richtete sich Shirley West auf. Shirley führte die Postbude. Shirley, die Merrily beim Hereinkommen missbilligend gemustert hatte – als müsste eine Pfarrerin auch noch zum Wäscheaufhängen, Rasenmähen und Müllraustragen Soutane und Priesterkragen tragen.
    «Wie würden Sie es finden», sagte Pierce, «wenn uns auch das noch gestrichen würde?»
    «Als Vorsitzender des Gemeinderates», sagte James Bull-Davies, «habe ich davon noch nie ein Wort gehört.»
    «Colonel, bei allem Respekt für den Gemeinderat, er wäre wohl kaum das erste Gremium, das konsultiert würde.»
    James stand auf.
Wir haben hier eine Funktion zu erfüllen
, hatte er Merrily einmal erklärt.
Und diese Funktion ist die Bewahrung.
Doch auf einmal wirkte er erschöpft. Er stand über den Tisch gebeugt, als hätte sich das Gewicht seiner Ahnen, die Jahrhunderte des Junkertums, schließlich doch als zu große Bürde erwiesen.
    «Ich … schlage vor, wir halten uns ans Hauptthema und versuchen, nicht abzuschweifen.»
    «Das
ist
das Hauptthema, Colonel.» Pierce verschränkte die Arme vor der Brust. «Wachsen oder sterben. Wie ich schon gesagt habe.
Wachsen oder sterben.
»
    Er wiederholte den Ausspruch, als erwarte er, dass alle aufstanden und im Chor skandierten:
Wachsen oder sterben! Wachsen oder sterben!
    Und dann, so richtig in Fahrt gekommen, setzte er noch eins drauf. «Was wäre, wenn die Arztpraxis geschlossen würde? Wenn unser sympathischer Kent Asprey durch wechselnde Ärzte aus dem Kreiskrankenhaus ersetzt würde? Zwölf Meilen fahren müssen, wenn man krank ist. Wie wäre das,
Leute

    Merrily hörte einen kleinen Aufschrei von Edna Huws, die manchmal als Organistin aushalf und die letzte Direktorin der Grundschule von Ledwardine gewesen war. Sie litt schon lange unter Bluthochdruck.
    Er hatte es geschafft. Pierce hatte gezündelt, und nun leckten die ersten Flammen empor.
    Lyndon Pierce sah zum Fenster.
    «Und da ist noch etwas. Als ich ein Junge war, wurden die Felder hier ringsum regelmäßig überflutet, und die Gräben flossen über, und die Straßen waren unpassierbar. Aber jetzt haben wir die Umgehungsstraße nach Leominster – eine wahre Lebensader!»
    Erneut hielt er inne und breitete dann die Arme aus.
    «Es war das
Wachstum
, das uns diese Straße beschert hat. Alles, was wir jetzt haben, schulden wir dem
beständigen Wachstum
. Wenn das aufhört, Leute, haben wir ein Problem.»
    Der Regen peitschte gegen die Fenster, und wo der Kitt herausgebrochen war, bildeten sich auf den Fensterbrettern kleine Pfützen. Pierce ballte die Fäuste und ließ sie dann wie Paukenschlägel auf den Tisch hinunterfahren.
    «Und deshalb dürfen wir
nicht
die falschen Signale senden, indem wir uns gegen die Bebauung von Coleman’s Meadow stellen. Wir können es uns nicht leisten, auf die irrwitzigen Einsprüche von Leuten zu hören, die nicht mal von hier sind.
Denen
ist es doch egal, ob es hier noch eine Poststelle gibt, bei der Sie monatlich Ihre Rente abholen können, bei der Sie ein Paket abholen können oder zu der Sie sich ihre Medikamente schicken lassen können, wenn das Dorf eingeschneit ist.
Die
schert es einen Dreck, ob dieses Dorf weiterlebt oder stirbt. Für
die
zählt nur, was sowieso schon lange tot ist.
Tot und begraben

    «Also, normalerweise habe ich ja keine Mordgelüste», sagte Lol zu Merrily, «wie du weißt.»

5 Schlange
    Der Sonnenaufgang über dem Cole Hill sah aus wie ein Feuerwerk aus Orange und Gold. Jane stand davor, die bloßen Arme erhoben, und sah höllisch frei und sexy aus, als hielte sie mit den Händen die Sonne fest.
    Ein Augenblick der Verbindung.
    Vermutlich war das für alle Zeiten ihr Lieblingsbild von sich selbst. Eirion hatte es am letzten Septemberwochenende mit seiner digitalen Spiegelreflexkamera gemacht – an dem Tag, bevor er zur Uni aufgebrochen war. Jane hatte es als Bildschirmschoner benutzt, aber dann hatte sie
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