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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die
Autoren: Ulrich Peltzer
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Äußeres geachtet. Sein Haar lichtete sich über den Schläfen. Seine hellen Augen, um die sich Lachfalten wie Wellen legten, und seine tiefe Stimme, die von einem Ort im Innern der Erde zu kommen schien, ließen die Lethargie und den Sarkasmus nicht ahnen, die ihn häufig wie böse Tiere befielen.
    Lacan setzte sich. Schmunzelnd musterte ihn Hartmann. Bernhard sah sich flüchtig um. Die Liste der Leute, die er in den letzten Wochen geleimt hatte, war lang genug, um ständig auf dem Sprung zu sein. Im Café Oppenheimer fühlte er sich eigentlich sicher, denn wer ihm gefährlich werden könnte, pflegte sich dort nicht aufzuhalten, obwohl der Mann am Nebentisch, dem eine dilettantische Tätowierung aus dem Hemd wuchs, ihn mit einem unangenehmen Silberblick fixierte.
    Roland Hartmann beugte seinen schweren Oberkörper nach vorne.
    »Na, Bernie, alles im Griff?«
    »Was erwartest du denn?«
    »Ich warte seit einiger Zeit auf einen Portwein, aber der Kellner«, er wies auf Raimund, der gerade einem einschlägig bekannten Konzertagenten gestenreich die Form der Schuhe beschrieb, »ist ein wenig zerfahren.«
    »Das bleibt nicht aus, wenn man auf einen grünen Zweig kommen will.«
    »Keine Frage.«
    Raimund notierte eine Telefonnummer und verschwand hinter der Theke.
    »Seit wann bist du in Berlin?«
    »Seit drei Tagen.«
    »Und?«
    »Was und?« fragte Hartmann.
    »Du machst Ferien?«
    »Ab heute.« Hartmann löste den Knoten seiner Krawatte und lehnte sich wieder zurück. »Ich hatte das Angebot, in eine Firma einzusteigen, die den Bau einer Stadthauszeile in Kreuzberg plant. Vom Senat gefördert. Einer der Architekten war in München mein Tutor. Der hat sich an mich erinnert und mich angerufen. Wir haben mal eine Zeitlang zusammen gewohnt, weißt du noch? Diese Wohnung in der Ainmillerstraße mit den drei Kühlschränken, verschließbar. Der und ich waren die einzigen normalen Menschen damals.«
    »Du ziehst also nach Berlin?«
    Hartmann schüttelte den Kopf.
    »Warum doch nicht?«
    »Warum, warum. Es ging nicht zusammen, darum nicht.«
    »Ich dachte, du wärst in München groß im Geschäft.«
    »Riesengroß«, sagte Hartmann höhnisch.
    Hinter der Theke wartete Raimund, bis der Portugiese sich wieder den Mädchen zuwandte und der Geschäftsführer der Stammkundschaft seine Aufwartung machte. Er kippte hastig zwei Cognac ein und schrieb zwei Bons aus, deren Durchschläge er in den Müllkasten warf. Die Originale legte er auf sein Tablett. Er kam, eine Hand auf dem Rücken, an den Tisch der Freunde und sagte schmierig:
    »Auf besondere Empfehlung der Geschäftsleitung.«
    Sie nahmen die Schwenker und grüßten in Richtung Oberkellner, der tatsächlich aus Osterreich importiert war.
    »Auf die Geschäftsleitung«, sagte Lacan.
    »Und das geschätzte Personal«, ergänzte Hartmann. »Bringst du uns noch zwei Bier?«
    Raimund verbeugte sich und wiederholte affig die Bestellung.
    »Bier?« fragte Lacan.
    »Warum nicht? Ich habe Durst nach der Quatscherei der letzten Tage.«
    Sie saßen sich schweigend gegenüber, keiner wollte beginnen. Hartmann sah sich um.
    »Siehst du die bemalte Schluse dahinten? Sieht aus wie unsere Biologielehrerin.«
    Lacan hatte in Biologie gut abgeschnitten, weil er der einzige gewesen war, der der Lehrerin in die Augen sehen konnte, ohne zu glucksen.
    »Soll ich mal rübergehen?« fragte Hartmann.
    Erstaunt hob die ältere Frau den Kopf, als der massige Mann an ihren Tisch trat. Lacan hielt sein Gesicht in den Händen und beobachtete die Szene durch die Finger. Die Frau schüttelte den Kopf, und Roland Hartmann verabschiedete sich mit einem ruckartigen Bückling, bei dem er die Hacken zusammenschlug.
    »Die kütt us Kölle«, ahmte er sie nach.
    »Kölsch ist fast so schlimm wie Lispeln«, sagte Lacan.
    »Fast!« Hartmann trank einen großen Schluck Bier, das Raimund inzwischen gebracht hatte.
    »Sollen wir essen gehen?« fragte er.
    »Wenn’s nicht so teuer wird, Limit 20  Mark.«
    Hartmann sah Lacan amüsiert an.
    »Ich lade dich ein.«
    »Angenommen!«
     
    Neben dem Eingang zum Saal wurde aus Holzkeilen eine Bühne zusammengeschoben. Heute abend fand im Café Oppenheimer das dritte Konzert aus der Reihe ›East meets West‹ statt; Gitarre, Sitar, Congas, Eintritt 25  Mark. Hartmann legte einen Schein auf den Tisch, Lacan trank sein Bier aus. Der portugiesische Barmann und die Schauspielerinnen waren sich nähergekommen. Er war mit den Bestellungen im Verzug, und die Kellner, die dafür
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