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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption
Autoren: Patrick Graham
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sie an ihrem Fläschchen zu saugen, sie schluckt einmal, zweimal. Das Wasser schmeckt nach Tränen. Sie blickt zum Fenster, auf dem sich schon eine dünne Staubschicht gebildet hat. Sie legt die Hand an die Scheibe. Drinnen ist es eiskalt und draußen kochend heiß. Sie betrachtet die felsige Landschaft ringsum, die bis ans Ende der Welt reicht. Das weiße Licht der Wüste. In einem Winkel ihres Kinderhirns begreift sie, dass das eigentliche Monster nicht dieser böse Mann ist, der ihrer Mama wehgetan hat. Nein. Das eigentliche Monster ist die Hitze dort draußen. Monica weiß, dass sie sterben wird, aber die Vorstellung ist zu verschwommen, um ihr Angst zu machen. Wirklich traurig ist aber, dass sie ihren Papa nie wiedersehen wird. Das versteht sie nicht mit Worten oder Gedanken, sondern indem sie das wenige Wissen, das sie besitzt, zusammenfügt: Mama rührt sich nicht mehr, in ihrer Kehle brennt es, das Wasser in ihrem Fläschchen wird weniger, und Meredith schreit und wirft sich in ihrem Sitz herum, weil sie immer noch versucht, inmitten der Bonbonpapiere ihre Puppe zu erwischen. Monica drückt die Nase ans Fenster. Sie will einen Kreis an die Scheibe hauchen, aber das Glas ist von der anderen Seite her so heiß, dass sich der Beschlag, kaum gebildet, gleich wieder auflöst. Daran ist das Monster schuld: Es verschlingt das Wasser, es lässt alles verdorren. Nach und nach wird es auch die Kälte fressen, die vorn aus den Schlitzen kommt, und dann auch sie beide, ihre Schwester und sie.
    Monica blickt in die Wüste, aber das Hitzeflirren und ihre Tränen lassen alles verschwimmen. Sie hat begriffen, dass sie ihr Wasser so lang wie möglich aufheben muss. Sie will es auch Meredith sagen, aber Meredith schreit und weint und will nur ihre Puppe. Monica reicht ihr das eigene Stofftier, einen gelben Plüschelefanten mit zerkautem Rüssel. Meredith stößt sie zurück. Ihre Augen fallen zu. Sie schläft ein.
11
    Lieutenant Callum setzt sich hinter seinen Schreibtisch und schiebt Shepard einen Pappbecher zu. Der nimmt den Deckel ab und schnuppert an dem Getränk.
    »Cappuccino?«
    Der Sheriff schüttelt den Kopf. Shepard starrt ihn an, während er einen Schluck nimmt. Der Lieutenant ist ein großer Schwarzer mit rundem Gesicht und kahlem Schädel, auf dem eine Ader pocht. Rhythmisch schwillt sie an und wieder ab, und die zarte Haut darüber sieht aus, als könnte sie jeden Moment aufplatzen. Ein Geräusch wie hochgezogener Rotz, und dann spritzt das Blut zwischen die Hirnwindungen. Callums letztes Lächeln.
    Der Bulle ordnet seine Papiere. Er wischt sich den Schweiß von der nassen Stirn und stößt einen Seufzer aus, der eine Kombination aus Müdigkeit, Gereiztheit und Sorge ist.
    »Ich habe vier Helikopter und die Hälfte meiner Leute im Einsatz. Sie sind mit Geländewagen und Wüstenscheinwerfern unterwegs. Ich konnte sogar die Besatzung der Air-Force-Basis Nellis mobilisieren, dass sie ihr Gelände kontrollieren, falls es Ihr Mörder geschafft haben sollte, die Elektrozäune zu überwinden. Glauben Sie mir, Mr. Shepard, sie werden Ihre Familie finden.«
    »Vorausgesetzt, sie wissen, wo sie suchen sollen.«
    Shepard blickt wieder auf die riesige Landkarte, die mit Reißnägeln an der Wand befestigt ist. Nevada in Gelb, Arizona in Weiß und Kalifornien in Grün. Er betrachtet den mäandernden Krater des Grand Canyon und die blaue Fläche des Lake Mead, gut dreißig Meilen östlich von Las Vegas. Die letzte Wasserstelle vor dem Meer, von Menschenhand geschaffen. Und dazwischen an die vierhundert Meilen totes Land. Sand, Felsschluchten, Schlangen. Irgendwo in dieser grenzenlosen gelben Weite steht ein verlassener Lexus mit seinen zwei Mädchen darin. Callums Stimme reißt ihn aus seinen Gedanken.
    »Nach der Strecke zu urteilen, die Ihre Frau zu fahren pflegt, wenn sie nach Tokop will, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder dieser Mann hat sie Richtung Cactus Springs gezwungen oder quer durch die Mojavewüste zum Red Rock Canyon.«
    Während Callum seine Hypothesen vorträgt, bläht sich das Fahndungsgelände auf der Karte vor Shepards Augen zu einer grenzenlosen Weite.
    »Haben Sie denn den Polizeiwagen gefunden, der meine Frau aufgehalten hat?«
    »Der Einzige, der sich nicht zurückgemeldet hat, gehört Melvil Crane, dem Hilfssheriff in Clark County. Der Bursche ist okay.«
    »Und wurden Sie fündig?«
    »Meinen Sie Crane?«
    »Nein, den Wagen.«
    »Noch nicht.«
    »Sie verschwenden Ihre Zeit.«
    »Wieso?«
    »Weil der
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