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Süden und das verkehrte Kind

Süden und das verkehrte Kind

Titel: Süden und das verkehrte Kind
Autoren: Friedrich Ani
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Moment gelang es mir, meine Stimme zu bändigen, und anstatt zu schreien ging ich, ohne auf Medy Kolbs irritierten Blick zu reagieren, an ihr vorbei in Fabians Zimmer und schwieg am offenen Fenster ungezügelt in die Nacht.

4
    V ernehmungsbeginn: sieben Uhr fünfzig.
    Der Zeuge Belut, Hartmut, hat sich bereit erklärt, zur Vermisstensache Kolb, Nastassja, auszusagen. Mit der Familie Kolb ist er weder verwandt noch verschwägert. Der Zeuge wurde ausdrücklich darüber belehrt, dass gegen ihn kein Verdacht in Zusammenhang mit dem Verschwinden des Mädchens besteht. Eine Belehrung auf das Zeugnisverweigerungsrecht entfällt. Der Zeuge ist vierunddreißig Jahre alt, von Beruf Verkaufsleiter in einem Autohaus, ledig und Vater einer achtjährigen Tochter, die bei ihrer Mutter in Nürnberg lebt.
    Die Vernehmung wird geführt von Hauptkommissar Tabor Süden. Eine Schreibkraft (Haberl, Erika) protokolliert das Gespräch in der Vermisstenstelle, Dezernat 11.
    »Hab verpennt, tut mir Leid.«
    »Das ist ärgerlich.«
    »Tut mir Leid, echt.«
    Anmerkung: Dem Zeugen wird ein Foto der sechsjährigen Nastassja Kolb vorgelegt.
    »Das ist sie, klar. Kann ich noch einen Schluck Wasser haben?«
    »Bitte.«
    »Danke. Wahnsinn, das verdunstet beim Schlucken. Was ist denn mit ihr? Okay, Torsten wollt sie abholen, das hab ich kapiert…«
    »Wann wollte er sie abholen?«
    »Zum Schwimmen, glaub ich. Wann? Nach der Arbeit.
    Am Freitag ist der bis fünf im Autohaus, danach geht er manchmal zum Squashen. Und dann ist Stammtisch.«
    »Den Stammtisch hat er aber gestern abgesagt.«
    »Letzte Woche schon«, sagte Belut. »Das passiert schon mal. Das ist ein Stammtisch, kein Zwangstisch. Schreiben Sie so was auch mit? Da muss man echt aufpassen, was man sagt. Oder? Schreiben Sie das alles mit?«
    »Sie können das Protokoll hinterher lesen und Sie müssen es unterschreiben.«
    »Mach ich, klar. Wie war die Frage?«
    »Torsten Kolb hat bereits in der letzten Woche den Stammtisch für den gestrigen Freitag abgesagt.«
    »Also… ja, genau. Letzte Woche… Genau. Und?«
    »Gestern haben Sie aber trotzdem nochmal mit ihm telefoniert.«
    »Freilich. Warum nicht? Ich versteh jetzt nicht… Moment mal. Die Nastassja ist verschwunden… Okay. Und der Torsten…«
    »Bitte bleiben Sie bei meinen Fragen, Herr Belut! Sie haben gestern mit ihm telefoniert.«
    »Nach Frage klingt das aber nicht, echt. Das ist doch eine Feststellung.«
    »Ist sie falsch?«
    »Nein«, sagte Belut. »Ist nur… Also, man muss echt aufpassen bei Ihnen…«
    »Haben Sie mit ihm gestern telefoniert?«
    »Nicht so laut, Mann! Was ist los? Schlechte Nacht gehabt? Entschuldigung. Können Sie das streichen, Frau… Ich wollt Sie nicht anmachen, Herr Kommissar.
    Ich bin ja freiwillig hier. Entschuldigung, wenn ich das sagen darf…«
    »Sie sollen auf meine Fragen antworten.«
    »Langsam. Was ist denn? Schauen Sie mich nicht so an! Das beunruhigt mich…«
    »Warum?«
    »Was?«
    »Sie haben gestern mit Torsten Kolb telefoniert, und er hat Ihnen gesagt, er will seine Tochter treffen und sie ins Schwimmbad mitnehmen.«
    »Nein, also… Ich brauch jetzt erst mal noch ein Wasser. Danke. Also… Ja, ich hab mit ihm telefoniert…«
    »Wann?«
    »Wenn Sie mich dauernd unterbrechen, kann ich mich nicht konzentrieren. Müssen Sie eigentlich da… Das geht mich nichts an, ist okay, aber… Müssen Sie dastehen? Mir wärs lieber, Sie würden sich setzen, also…«
    »Ich stehe lieber.«
    »Okay, ist ja Ihr Büro. Oder was das ist. Ziemlich karg hier. Ich muss zugeben, das macht schon irgendwie nervös, wie Sie so dastehen, so mit den verschränkten Armen und den… Entschuldigung. Nein, also… Wir haben telefoniert und er hat gesagt, er trifft seine Tochter. Da hab ich gedacht, er geht mit ihr ins Schwimmbad. Weil er das öfter macht.«
    »Er hat nicht gesagt, dass er mit Nastassja ins Schwimmbad gehen will.«
    »Hat er nicht.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Glaub schon.«
    Anmerkung: Der Zeuge betrachtet längere Zeit stumm das Foto des Mädchens.
    »Kennen Sie sie näher?«
    »Nein«, sagte Belut. »Ich kenn sie eigentlich gar nicht. Es ist so… Also, ich will niemand was anhängen, Torsten ist ein Freund von mir, wir arbeiten in derselben Branche, wir kennen uns seit sechs oder sieben Jahren, er ist voll in Ordnung. Ja?«
    »Ja.«
    »Genau. Jedes Mal, wenn ich Sie anschau, hab ich das Gefühl, Sie denken, ich lüg, das ist echt schwierig mit Ihnen, ich mein das nicht persönlich. Ich hab auch
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