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Süden und das Geheimnis der Königin

Süden und das Geheimnis der Königin

Titel: Süden und das Geheimnis der Königin
Autoren: Friedrich Ani
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Münchner Kriminalpolizei.«
    Auf der anderen Seite der Tür war es still.
    »Ich bin froh, Sie gefunden zu haben, Signor Aroppa«, sagte ich.
    »Ich habe eine schlechte Nachricht für Sie. Verstehen Sie mich?«
    »Was für eine schlechte Nachricht?«, sagte Aroppa.
    »Sie sprechen deutsch, da habe ich Glück«, sagte ich.
    »Bitte machen Sie die Tür auf!«
    »Was für eine schlechte Nachricht?«, wiederholte er mit starkem italienischen Akzent.
    »Ihr Vetter ist gestorben.« Er erwiderte nichts.
    »Er ist verhungert.«
    Dann, nach einer langen Pause: »Das weiß ich.« Also hatten meine italienischen Kollegen ihn informiert. Aber warum hatte er sich dann nicht bei uns gemeldet oder die örtliche Polizei gebeten, sich mit uns in Verbindung zu setzen?
    Ich hörte den Schlüssel im Schloss. Aroppa öffnete die Tür. Er hatte sich umgezogen, jetzt trug er ein beiges Baumwollhemd, das über die dunkle Hose hing. Seine Haare waren sehr kurz und grau, und er hatte ein rissiges Gesicht. Ich schätzte ihn auf Anfang siebzig. An den nackten Füßen hatte er blaue Plastikschlappen.
    » Buon giorno « , sagte ich.
    » Buon giorno. «
    Hinter ihm war es dunkel und kühl und es roch nach Essen, Gemüse in Öl vielleicht, ich bekam sofort Hunger.
    »Warum haben Sie sich nicht gemeldet?«, sagte ich.
    »Ich war verreist«, sagte er.
    »Ich habe erst vor ein paar Tagen vom Tod meines Vetters erfahren.« Ich schwieg. Aus dem Haus kam kein Geräusch. Ich lauschte so gut ich konnte.
    »Wollen wir spazieren gehen?«
    »Nein«, sagte er.
    »Ich möchte mit Ihnen reden. Ich möchte mit Ihnen über Ihren Vetter sprechen, und über Soraya Roos. Und über die Vergangenheit und was davon übrig ist.«
    »Nein«, sagte er.
    »Sie haben viele Freunde hier im Dorf«, sagte ich.
    »Niemand hat Sie verraten, niemand hat etwas erzählt, Sie sind ein geachteter Mann. Sogar Signor Fadini sagte uns nur das Allernötigste. Und was immer Sie mir und meinem Kollegen erzählen, bleibt unter uns, wenn Sie das wünschen. Ich habe Sorayas Vater versprochen, die Suche nach seiner Tochter nach zehn Jahren noch einmal aufzunehmen, deswegen bin ich hier. Und wäre Ihr Vetter nicht gestorben, würden wir weiter davon ausgehen, dass Soraya tot ist, wir hätten keinen Grund, etwas anderes anzunehmen.«
    Er zeigte keine Reaktion. Gebückt stand er vor mir, beide Hände in den Hosentaschen, mit müden Augen, wie jemand, der zu lange in die Finsternis geblickt hatte und sich jetzt wunderte, wo das Licht herkam.
    »Warum ist Ihr Vetter verhungert, Signor Aroppa?«, sagte ich.
    Er brauchte Zeit für eine Antwort. Wir sahen uns an und dann sahen wir weg.
    »Nein«, sagte er.
    »Alles, was ich möchte… ich möchte den Leichnam meines Vetters herbringen. Hierher. Ist das erlaubt?«
    »Natürlich.«
    » Grazie. «
    »Ich wohne in der ›Casa Hefele‹, das wissen Sie bestimmt. Dort warte ich auf Sie. Ich werde nicht eher abreisen, bis Sie mit mir gesprochen haben, bis ich weiß, was mit Soraya geschehen ist. Ich werde nicht abreisen. Ich werde warten. Kommen Sie, wann Sie möchten. Außer meinem Kollegen, der auch mein bester Freund ist, werde ich niemandem von unserer Begegnung erzählen. Ich bitte Sie zu kommen.«
    Mit einem letzten reglosen Blick drehte er sich um und schloss die Tür hinter sich.
    Zwei Tage darauf, am späten Nachmittag des vierzehnten Juni, an einem Tag, an dem der Himmel bedeckt war und ein kühler Wind wehte und die Wolken immer dunkler wurden, klopfte es an der Tür meines Zimmers.
    »Ich bin da«, sagte Severino Aroppa. In einer Plastiktüte hatte er eine Flasche Grappa und drei Gläser mitgebracht.
    Als ich nach meinem ersten Treffen mit Aroppa in die Bar zurückgekehrt war, um Martin abzuholen, hatte er keinen Schluck Averna getrunken, und auch sonst nichts, nicht einmal einen Espresso. Zwei Carabinieri hatten sich rechts und links neben ihm postiert und versucht, ihn zum Sprechen zu bringen, was ihnen nicht gelang. Martin hatte sich sogar geweigert, ihnen seinen Dienstausweis und seine Marke zu zeigen. Er behauptete, er sei Tourist, und hatte seinen Pass auf den Tresen gelegt. Einer der Kollegen sprach ein wenig deutsch, aber Martin antwortete trotzdem nicht.
    »Warum warst du so stur?«, fragte ich ihn, als wir im Auto saßen, nachdem wir unsere Dienstausweise vorgezeigt hatten. Dazu hatte ich den Carabinieri erklärt, wir hätten mit ihren Kollegen in Udine Kontakt aufgenommen, wären auf der Suche nach einer verschwundenen Frau und würden
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