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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende
Autoren: Meredith Duran
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Vater sich eher erschossen hätte, als seinen Anspruch auf den Landbesitz der Familie abzutreten. Oder Land zu verkaufen.
    Natürlich wäre das nach Alex’ Ansicht die Verschwendung einer Kugel gewesen. Er hatte kein Interesse am väterlichen Erbteil. Und es stand ihm ohnedies nicht zu.
    Was zum Teufel will ich dann überhaupt hier?
    Er seufzte. Er war diese Frage von Herzen leid, hatte er sie sich doch den ganzen Weg von Gibraltar bis hierher gestellt. In den stillen Stunden vor dem Morgengrauen hatte er allerdings auch wenig anderes zu tun gehabt. Die beste Antwort lautete: Seine Schwestern hatten ihn darum gebeten. Es war ein Gefallen, den er den beiden tat – und es würde reichen, sich zwölf Monate Freiheit von weiterer Belästigung zu sichern. »Wie geht’s?«, fragte er von der Tür aus.
    Gerard schaute auf. »Was – Alex!« Er wollte aufstehen, blieb dann aber sitzen. »Du bist zurück! Wir hatten ja keine Ahnung!«
    »Ich auch nicht. Es war eine spontane Entscheidung, als ich in Gibraltar ankam. Der ganze Felsen stinkt nach Blutwurst – was mir die Heimat in Erinnerung gebracht hat.«
    Genau genommen hatte er während seines Zwischenaufenthalts dort einige Telegramme bekommen: zwei empörte Tiraden von seinen Schwestern und ein halbes Dutzend Warnungen von Freunden, die Christopher Monsanto mit dem peruanischen Handelsminister in Buenos Aires beim Abendessen gesehen hatten. Vermutlich hatte der Ami sein gieriges Auge auf die Verträge geworfen, die Alex zuvor mit der Regierung Perus geschlossen hatte.
    Diese Überlegung schien seine Erschöpfung noch fühlbarer zu machen. Wahrscheinlich würde er es bedauern, nicht sofort nach Lima zurückgekehrt zu sein.
    »Nun.« Gerrys kritischer Blick inspizierte Alex von Kopf bis Fuß. »Ich muss schon sagen, das ist eine gelungene Überraschung.«
    Wie immer ging Alex diese Inspektion auf die Nerven. Und wie immer lächelte er dazu. »Werde ich noch eine Weile am Leben bleiben?«, fragte er. »Oder droht mir das Sterbelager?«
    Sein Bruder besaß den Anstand zu erröten. »Du siehst recht wohl aus. Setz dich doch.«
    Alex griff sich auf seinem Weg zum Schreibtisch einen Sessel.
    »Vorsicht!«, rief Gerry sofort. »Der ist schwer.«
    Herr im Himmel! Alex setzte den Sessel vor dem Schreibtisch ab und nahm darin Platz. »Er wiegt nicht mehr als ein Zehnjähriger«, sagte er. »Wirklich, Gerry, ist es deiner Aufmerksamkeit entgangen, dass ich dich inzwischen um Haupteslänge überrage?« Seit seinem vierzehnten Geburtstag überholte und bezwang er seinen Bruder auf vielen Gebieten. Aber selbst wenn er lediglich einen Spielzeughund hochhob, würde Gerry vermutlich den Drang verspüren, ihm eine Warnung zuzurufen.
    »Körpermasse, nicht Größe«, sagte dieser entschlossen. »Die Masse ist entscheidend.«
    Alex spähte auf den stets weiter werdenden Leibesumfang seines Bruders. »Ja, vermutlich ist das durchaus ein Standpunkt, es zu betrachten.«
    »Du siehst aus, als könntest du etwas zu essen brauchen. Und ein bisschen Schlaf.«
    Er zuckte die Schultern. »Du warst dabei, etwas zu schreiben?«
    »Ah … ja.« Gerard befingerte die Ecke des Blattes. »Eine Rede für morgen. Dieser Unsinn mit den Buren …« Er seufzte. »Die Hälfte der Lords will einen Krieg.«
    »Wie neu.«
    Sein Bruder sah ihn stirnrunzelnd an. »Um genau zu sein, Alex, wir haben im Jahr ’81 in Transvaal gekämpft.«
    Gerry hatte noch nie ein Gespür für Ironie gehabt. »Haben wir das? Dann wird es ja nie langweilig.«
    Allmählich glättete sich das Stirnrunzeln wieder. »Hm, ja. Wann bist zu zurückgekommen? Hast du die Zwillinge schon gesehen?«
    Hätte Alex nicht darauf geachtet, vermutlich hätte er bei dieser letzten Frage die leichte Besorgnis in Gerrys Stimme überhört. Sein Bruder wusste also nicht, dass die Zwillinge ihn bereits über den Verkauf des Landsitzes in Cornwall informiert hatten. »Nein, noch nicht.«
    »Vor Freude, dich zu sehen, werden sie gewiss ganz aus dem Häuschen geraten. Sie haben sich große Sorgen um dich gemacht.«
    »Hört das denn nie auf?« Alex hatte gehofft, dass Kinder zu haben den Fokus seiner Geschwister von ihm weglenken werde, aber sie alle schienen eine sagenhafte Fähigkeit zu besitzen, eine Art multidirektionaler Sorge zu hegen.
    Er griff nach Gerrys Stift und spielte damit. Das Schildplatt war zweitklassig, eine schlechte Imitation aus dem Panzer der Chinesischen Karettschildkröte, vermutlich auf Mauritius gefertigt. Es war genau jene Art von
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