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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende
Autoren: Meredith Duran
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Handelsprodukt, auf die sich Monsanto spezialisiert hatte – bis jetzt.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie Gerry die Fingerspitzen aneinanderlegte. Es war der Inbegriff des Moralisierens. Alex legte den Stift aus der Hand und lächelte.
    »Das kannst du ihnen nicht verdenken«, sagte sein Bruder. »Du würdest die Gerüchte nicht glauben, die wir über dich gehört haben.«
    »O doch, das würde ich«, entgegnete Alex.
    Gerry ignorierte diesen Kommentar. »Hör zu, verdammt noch mal«, fuhr er ärgerlich fort. »Oder lies es nach, wenn dir das lieber ist. Die verdammten Zeitungen sind voll davon! Dreck, verbrämt als Finanznachrichten. Und was erwartest du denn auch? Allein das Spektakel um diese Sängerin – ich bin schon überrascht, dass man dich nicht strafrechtlich verfolgt hat.«
    Welche Sängerin? Vage erinnerte sich Alex an einen Bekannten in New York, der ihn ebenfalls auf diese Schlagzeilen angesprochen hatte. Wie bizarr. Einige dieser Storys hatte Alex selbst gefördert. Sein schlechter Ruf eliminierte dankenswerterweise die meisten der öden gesellschaftlichen Verpflichtungen, bei denen er sich sonst hätte sehen lassen müssen. Aber die Sängerin gehörte zu den vielen Gerüchten, die freundlicherweise andere über ihn in die Welt gesetzt hatten. Hätte er diese gesichtslosen Wohltäter dafür bezahlt, sie hätten ihm keine besseren Dienste leisten können.
    »Ich habe sie entehrt, oder?« Er war neugierig, was er gemacht haben sollte.
    »Ich wüsste nicht, wie man ein solches Benehmen in der Öffentlichkeit sonst bezeichnen könnte!«
    In der Öffentlichkeit, ausgerechnet. Das klang nicht so sehr beeindruckend als vielmehr dumm. Wie typisch für Gerard, das von ihm zu glauben. »Ja, sie hatte kräftige Lungen«, sagte Alex mit einem Schulterzucken. »Dumm von mir, das zu unterschätzen. Sie sagte, sie sei Altistin, aber um ehrlich zu sein: Ich denke, ihr Stimmumfang ging höher. Vielleicht hatte es ihr bis dahin nur an der richtigen … Anleitung gefehlt.«
    Gerard schnaubte verächtlich. »Soll mich das jetzt schockieren?«
    »Nein. Wäre es meine Absicht, die Menschen zu unterhalten, so wäre ich zum Theater gegangen.«
    Ohne jeden Zweifel brachte Gerards Blick seine verweichlichten, jammernden Opponenten im Oberhaus dazu, den Schwanz einzuziehen und zu zittern. Ein oder zwei Mal in ihrer Kindheit hatte er damit auch Alex zittern lassen – bis der es darin irgendwann selbst zur Meisterschaft gebracht hatte. Nach Alex’ Erfahrung wirkte dieser Blick auch bei Vertretern ausländischer Handelsministerien sehr gut, und bei Unternehmern, die verzweifelt nach Investoren suchten. Gepaart mit einem Lächeln konnten Frauen angesichts dieses Blickes umfallen wie die Dominosteine – auch wenn er das bei einer Sängerin leider noch nie ausprobiert hatte. Normalerweise zogen die das Geld einem Lächeln vor, doch Alex benutzte Geld nur, um Waren zu kaufen; er kaufte keine Menschen.
    Auf jeden Fall war der starre Blick nützlich. Doch er strengte auch die Augen an. »Du handelst dir noch ein Aneurysma ein«, warnte er milde.
    Gerard rieb sich die Stirn. »Sag mir eines: Glaubst du wirklich, ich verschwende meinen Atem aus Arroganz?«
    Das Schweigen verlangte eine Antwort. Herrgott. Musste es denn wirklich
jedes Mal
so ablaufen, wenn er nach Hause kam? »Nein«, sagte Alex. »Ich denke, du verschwendest ihn aus Sturheit.« Wäre es in seiner Familie üblich gewesen, Alex hätte einer Kirche angehört. Die Welt war dabei, sich zu verändern. Getreide von den Amerikanern, Fleisch und Wolle vom Kontinent – das bedeutete Einschnitte in die Ertragskraft der englischen Landwirtschaft. Aber den Ramseys ging es noch gut, und kein Sohn Lord Westons, so hatte ihm sein Vater oft gesagt, würde sich die Hände damit schmutzig machen, Handel zu treiben. Mit anderen Worten: Die Ramseys hielten an der Vergangenheit fest und ignorierten die Gegenwart so lange, wie sie es sich leisten konnten.
    Schon als Junge hatte Alex diese Philosophie für absurd gehalten. Er hatte seine ganze Kindheit zurückgezogen auf dem Lande verbracht – zu seinem eigenen Besten, hatten sie gesagt; zum Besten seiner Gesundheit. Also hatte er gewiss nicht die Absicht, sich auch noch als erwachsener Mann vor der Welt zu verstecken.
    »Du kannst es nennen, wie du willst«, sagte Gerard, »Sturheit oder dummen Optimismus, ich weiß es selbst nicht. Aber eines weiß ich ganz sicher: Führe dieses Boheme-Leben so weiter, und du wirst eines Tages dafür
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