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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende
Autoren: Meredith Duran
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ist ja himmelschreiend«, sagte Lady Anne. »Deswegen wird man sie schneiden. Aber sie ist offensichtlich zu blind, um das zu bemerken.«
    Gwen räusperte sich. »Lady Embury ist eingetroffen?«
    Vier Gesichter wandten sich ihr zu, mit offenen Mündern. »Du bist ein Wunder«, stellte Katherine schließlich fest. »Woher weißt du das? Ja, sie ist es!«
    Gwen presste die Hand auf den Magen, der sich so heftig hob und senkte, dass es einem Wunder gleichkam, wenn ihre Hand nichts davon spürte. Sie hatte der Baroness dringend geraten, auf die Federn zu verzichten. Schließlich hatten sie einen ganzen Vormittag damit verbracht, diesen Hut zu gestalten! Welchen Sinn hatte es, um Rat zu bitten, wenn man es dann ablehnte, ihn zu beherzigen?
    »Oh!« Lucy legte die Hand auf Katherines Schulter. »Sieh nur! Gwen, dein Bräutigam ist eben vorbeigegangen!«
    Lady Annes Rücken wurde so starr wie ein Schürhaken. Gwen hingegen empfand eine erschreckend starke Welle der Erleichterung. Ihr wurde in diesem Augenblick bewusst, dass sich etwas in ihr gegen ein weiteres Debakel wie jenes mit Lord Trent gewappnet hatte.
    Nun, vielleicht würden sich ihre Nerven jetzt beruhigen. Dies war der Tag, von dem sie seit Jahren geträumt hatte. Da würde sie es doch gewiss schaffen, ihn zu genießen!
    Charlotte Everdell sah zu ihr herüber. »Er sieht unglaublich gut aus, Gwen! Ich denke, der Viscount ist der attraktivste Mann von ganz London!«
    Gwen brachte ein Lächeln zustande. Thomas sah keineswegs
unglaublich gut
aus. Diese Beschreibung passte besser zu dem engelhaft blonden Mr Cust. Oder, wenn man an dunkleres Haar dachte, zu Alex Ramsey, dessen blaue Augen zusammen mit dem fast schwarzen Haar und den kantigen Wangenknochen eine so faszinierende Wirkung hatten. Aber was sollten solche Gedanken? Eine kluge Frau maß dem Aussehen keine übermäßige Bedeutung bei. Schließlich war Mr Cust ein niederträchtiger Tunichtgut und Alex ein berüchtigter Weiberheld. Gwen hatte selten fünf Minuten in seiner Gesellschaft verbracht, ohne sich auf die Zunge beißen zu müssen, damit sie auf einen seiner rüden Witze nicht auf ähnliche Weise reagierte. Genau genommen bestätigte Alex ihren Standpunkt: Das Aussehen zählte wenig, wenn das Benehmen nicht stimmte.
    Glücklicherweise glichen Thomas’ Manieren seinem Gesicht: Sie waren durch und durch angenehm. Seinem Kinn fehlte zwar ein wenig die Prägnanz, doch das glich er durch einen prächtigen Bart aus, der so schwarz wie sein Haupthaar war. Seine grünen Augen blickten freundlich, und seine feinen Lippen waren wie für ein Lächeln geschaffen. Und er liebte sie! Das war das Wichtigste überhaupt. Er hatte es ihr Hunderte Male gesagt. Und in spätestens einer Stunde würde sie wieder eine eigene Familie haben – eine richtige Familie, nicht nur eine, die aus Freunden und bezahlten Vertrauten bestand.
    »Er ist weitergegangen«, sagte Katherine. »Buuhuuu!«
    »Steht er am Altar?«, fragte Gwen leise.
    »Nein, noch nicht. Oh, Gwen, was für eine glänzende Partie du machst. Ich freue mich so sehr für dich!«
    »Das tun wir alle«, sagte Lucy. »Das netteste Mädchen Englands und der attraktivste Erbe des Königreiches! Irgendwie ist das wie im Märchen.«
    Charlotte klatschte in die Hände. »Oh, Gwen – sag es uns, liebst du ihn nicht ganz
schrecklich

    »Natürlich tut sie das«, fauchte Lady Anne. »Also wirklich, wie absurd, ihr eine solche Frage auf ihrer Hochzeit zu stellen.«
    Charlotte schrumpfte in sich zusammen. Lucy tätschelte ihr tröstend den Arm und sah Gwen bedeutungsvoll an.
    Gwen gab vor, den Blick nicht zu bemerken, aber sie wusste, was er sagen sollte. Lady Anne hatte in der letzten Saison eine heftige Schwärmerei für Thomas entwickelt. Natürlich konnte sie ihn sich nicht leisten, waren doch die herrlichen Besitzungen ihres Vaters nahe Lincoln ebenso stark mit Hypotheken belastet wie seine eigenen. Nichtsdestotrotz waren ihm ihre Blicke bei jedem Ball über den Tanzboden gefolgt.
    Gwen hatte großes Mitleid mit ihr empfunden. Vor vier Wochen noch hatte sie sich deswegen sogar recht miserabel gefühlt. Doch dann war ihr zu Ohren gekommen, dass Lady Anne sie gemeldet hatte, um für Lady Miltons Waisenhaus noch zehn Pullover zu stricken – und das vor dem Frühlingsausflug der Kinder nach Ramsgate. Zehn Pullover in einem einzigen Monat! Gwen war doch kein Webstuhl!
Es ist eine wunderbare Gelegenheit, dein Engagement zu beweisen,
hatte Lady Anne zu ihr gesagt. Es war
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