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Suche nicht die Suende

Suche nicht die Suende

Titel: Suche nicht die Suende
Autoren: Meredith Duran
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Anstandsregel überschreiten durfte.
    Alex wusste nicht, wie Gwen es fertigbrachte, sich selbst zum Narren zu halten. Schließlich war sie nicht dumm.
    »Alex …« Belinda sah ihn prüfend an. »Bist du sicher, dass es
dir
gut geht?«
    Ihr bedeutungsschwerer Tonfall verwirrte ihn, bis er bemerkte, dass sie mit den Fingerspitzen ihre Kehle berührte. Er ließ ihre Hand los. Dreizehn Jahre war es her, seit er das letzte Mal wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft geschnappt hatte, aber das machte keinen Unterschied. Seine Schwestern redeten ständig davon, grimmig wie Krankenschwestern. »Es geht mir gut«, sagte er bewusst sanft, denn diese Besorgnis seiner Schwestern begann ihn allmählich zu zermürben, und seine von Müdigkeit benommenen Sinne drängten ihn eher zu einer heftigen Antwort. »Du hast recht. Vor der Beisetzung braucht Gwen eine Ruhepause.«
    Belinda seufzte. »Dann versuch du dein Glück bei ihr. Als ich sie danach fragte, sagte sie, die Trauergäste könnten es ihr als Unhöflichkeit auslegen, wenn sie sich zurückzöge.«
    Herrgott. »Dein Fehler war, dass du überhaupt
gefragt
hast«, erklärte er und setzte seinen Weg fort.
    Die ältliche Witwe verabschiedete sich soeben von Gwen. Alex winkte seine Schwester zu sich und berührte Gwen am Ellbogen. »Miss Maudsley«, sprach er sie bewusst förmlich an – eingedenk der Umstehenden, auf deren unausgesprochene Meinung sie so viel Wert legte. »Auf ein Wort, bitte?«
    Sie wandte sich um. »Mr Ramsey.« Ihr Lächeln, das ihm galt, war so nichtssagend wie das für jeden anderen auch, ihre großen braunen Augen wichen seinem Blick aus. »Wie geht es Ihnen?«
    »So, wie man es unter diesen Umständen erwarten kann.«
    Ein leichtes Zittern zuckte um ihren Mund und ließ ihr Lächeln endlich zerbrechen. »Wie schwer dies für Sie sein muss«, sagte sie. »Von allen Menschen hier teilen Sie am ehesten meinen Schmerz, das weiß ich. Richard war so … glücklich über Ihre Freundschaft.«
    »Und ich über seine. Kommen Sie doch für einen Moment mit mir zur Seite.« Als sie zögerte, ergriff er ihre Hand und legte sie auf seinen Arm. »Ich habe etwas für Sie … von Ihrem Bruder«, sagte er. »Ich wollte es Ihnen erst später geben, aber vielleicht gibt es Ihnen jetzt Kraft.«
    Als er sie durch die Menge der schwarz gekleideten Trauergäste führte, schlossen sich die Zwillinge ihnen an. Alex wurde sich Gwens Hand auf seinem Arm zunehmend bewusster. Es war eine ganz leichte Berührung, doch sie entfachte seine Sinne wie ein Zündholz, das in der Dunkelheit angerissen wurde. Jener Brief damals, den sie ihm geschrieben hatte, war unverfänglich gewesen und nichts als eine höfliche Geste gegenüber einem Freund der Familie. Doch Richard hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihn zu lesen. Dass er ihn auf dem Schreibtisch in Alex’ Suite gefunden hatte, war für ihn der nötige Beweis gewesen, der den Verdacht bestätigte, der bereits seit Monaten in ihm gegärt haben musste – das begriff Alex jetzt.
Du ermutigst Gwens Interesse,
hatte Richard geschrien.
Du wirst deine Finger von ihr lassen!
    Alex’ Verblüffung über diesen Vorwurf war so groß gewesen, dass sie ihn zu einer wenig taktvollen Erwiderung verleitet hatte.
Herrgott noch mal! Ich habe doch kein Interesse an Schulmädchen.
Und dann:
Sie ist ein wirklich nettes Mädchen, das jeden anlächelt und sich mit jedem gut versteht. Das wird sie auf dem Heiratsmarkt sehr begehrt machen. Aber was mich betrifft, so kann ich mir nichts vorstellen, was mich mehr langweilen würde.
    Sein Dementi hatte auf Fakten beruht. Leider war er nicht aufrichtig gewesen.
    Alex blickte kurz auf ihr Profil, das trotz der dunklen Schatten unter den Augen so heiter-gefasst wirkte.
Sie hat nichts anderes im Kopf als Kleider und … sich zu verheiraten
, hatte Richard einmal lachend gesagt. Aber während ihrer seltenen Zusammentreffen im Laufe der letzten paar Jahre – zu Weihnachten bei seinen Schwestern oder zur Jagdsaison in Schottland – waren Alex auch noch andere Dinge an Gwen aufgefallen. Sie las viel, sprach aber nie darüber. Sie sah weitaus mehr, als sie zugab. Ihre unverwüstliche Zuversicht war nichts, was sie blind für alles machte, sondern wirkte eher wohlüberlegt. Sie hatte sich mit einer geradezu soldatischen Disziplin so erfolgreich darin geschult, dass selbst ihr eigener Bruder sich hatte narren lassen.
    Alex verstand eine solche Disziplin. Er wusste, wie selten sie war und welchen Preis sie
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