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Sturz in den Tod (German Edition)

Sturz in den Tod (German Edition)

Titel: Sturz in den Tod (German Edition)
Autoren: Anke Gebert
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Räumungsverkauf, dann auf die Bandscheiben.
Die Mutter nahm Schmerzmittel und fing beim Stadtbäcker als Verkäuferin an. Der
Rücken schmerzte weiter bei jeder kleinen Aufregung, die Mutter schob es auf
die ungewohnt anstrengende Arbeit im Bäckereigeschäft. Sie wurde lange
krankgeschrieben, dann kündigte sie. Sie konnte nicht mehr, auch nicht
Wohnungen im Maritim putzen.
    Nina war aus Hamburg gekommen, um zu helfen. Vorübergehend. Es
musste eine Lösung gefunden werden, es musste für die Mutter weitergehen, damit
es hoffentlich bald für Nina in Hamburg weiterging.
    Die Mutter schob auf dem Sofa die Hand unter den Rücken.
    »Kind, ich verstehe das nicht. Was hast du an den Schränken meiner
Kunden zu suchen? Du kannst doch nicht an fremde Sachen gehen!«
    Nina deckte ihre Mutter zu und setzte sich zu ihr auf die Sofakante.
    »Ich musste etwas in den Schrank legen, und da war diese Tasche, und
die stand offen.«
    Die Mutter wandte das Gesicht ab.
    »Ich habe noch niemals etwas in den Schrank legen müssen! Ich weiß
nicht mal, dass die Frau Bergmann da solche Taschen hat. Aber du …«
    »Was, ich?«
    »Du bist einfach drangegangen. Das hast du ja schon früher gern
gemacht. Und wer weiß, ob du nicht wieder –«
    »Ich finde viel schlimmer, dass die alte Frau Bergmann tot ist«,
fiel Nina ihrer Mutter ins Wort. »Aber das scheint dich ja nicht zu
interessieren.«
    Die Mutter legte sich den Unterarm über die Augen. »Was weißt du,
wie es in mir aussieht!«
    ***
    Alexander Bergmann saß auf der Terrasse und ließ den Blick
über den Garten zum Leinpfadkanal schweifen. Ein junges Paar in einem Tretboot
sah her zu ihm und zu seiner Villa. Bewundernd oder neidisch – doch die
Genugtuung, die er sonst in solchen Momenten verspürte, stellte sich heute
nicht ein.
    Er strich mit der Fingerkuppe über den leeren weißen Teller, der vor
ihm auf dem Gartentisch stand, und sah durch die offene Terrassentür zu seiner
Frau, die Schinkenscheiben aus einem Papier nahm und auf einer Servierplatte
drapierte. Als sie den Spargel aus dem Topf in eine passende Schale hob, begann
sie ein Lied zu pfeifen, legte aber sogleich erschrocken die Hand über den Mund
und sah schuldbewusst zu ihrem Mann. Alexander tat so, als hätte er nichts
bemerkt.
    »Der Spargel und der Schinken sind von Lindner«, sagte seine Frau,
als sie die vollen Schüsseln auf den Tisch stellte und ihrem Mann die
Kartoffeln reichte.
    Alexander füllte sich auf. Nach dem, was geschehen war, dürfte er
keinen Hunger haben, schon gar keinen Appetit. Doch er hatte Appetit. Seine
Frau offenbar auch. Es schien ihm, als lächelte sie während des Essens. Er
konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal vor sich hin gelächelt oder
gar ein Lied gepfiffen hatte.
    Von irgendwoher kam der Geruch von Grillkohle-Anzünder
herübergeweht. Ein Geruch, der nicht hierher passte, fanden Alexander und seine
Frau. Doch auch in den nobelsten Villen in den feinsten Gegenden Hamburgs
lebten heutzutage Menschen, die es liebten zu grillen. Andererseits konnten
sich manche Menschen, denen es früher vorbehalten war, hier zu leben, ihre
Villen nicht mehr leisten … Niemals würde Alexander den Tag vergessen, an
dem er zum ersten Mal heimlich durchgerechnet hatte, wie viel Geld seine Frau
für ein einziges Abendessen im Delikatessengeschäft Lindner ausgegeben hatte.
Es war noch nicht lange her.
    »Ich glaube nicht, dass die bei Mutter etwas finden, in der
Rechtsmedizin«, sagte er.
    Seine Frau nickte und befand den Spargel für etwas zu weich.
    Alexander entgegnete, dass der Spargel genau richtig sei. Seine Frau
lächelte und fragte, ohne ihn anzusehen, wie es denn nun weiterginge, mit der
Beerdigung und allem. Nach der Rechtsmedizin.
    Alexander betrachtete Katharina heimlich von der Seite. Sie war
immer noch schön, doch das etwas Herbe, das er in ihrem Gesicht einmal so sehr
gemocht hatte, weil es seines Erachtens sehr hanseatisch war, hatte sich über
die Jahre in Härte verwandelt. Alexander fragte sich, wodurch das geschehen
war. Seine Frau hatte sich nie Sorgen machen müssen. Gearbeitet hatte immer nur
er und vermieden, seine Frau mit den Problemen, die es in seiner Firma gab, zu
belasten. Sie besaßen dieses Haus, eine Villa, die sie seit ihrer Hochzeit vor
über zwanzig Jahren bewohnten. Ihre Tochter war nie ein schwieriges Kind
gewesen, auch als Teenager nicht. Seit einem halben Jahr studierte Franziska in
den USA .
    Was war es, das seine Frau hatte so hart werden
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