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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit
Autoren: Link Charlotte
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ich, hat sie nicht gemocht. Dieser kühle, entrückte Ausdruck in den Augen, dieser verwirrende, abweisende Gegensatz zu dem lebensverliebten, zärtlichen Lachen auf ihren Lippen. Ich irrte mich. Der Maler hatte nichts gegen sie. Es war ihr Onkel Leo, er liebte sie, und er kannte sie durch und durch. Er malte sie, wie sie war, und es war, als wolle er eine hintergründige Warnung aussprechen: Paßt auf, ihr könnt machen, was ihr wollt, sie wird sich euch nie geben. Ihr werdet sie lieben und brauchen, und sie wird euch nie im Stich lassen, aber sie wird niemals jemandem gehören, weil sie die Freiheit braucht, ihre eigenen Widersprüche auszuleben.«
    Der Griff seiner Hand wurde härter. »Ich liebe sie, Kat. Ich werde sie immer lieben, aber, ich kann's dir schwören, ich werde es ihr nie sagen.«

    Sie hatte den Pelzmantel ausgezogen, ihn achtlos zur Erde gleiten lassen. Nun kauerte sie mit angezogenen Beinen auf dem Boden vor dem Kamin und hielt ihre nassen Haare gegen die Flammen, entwirrte die Locken mit ihren Fingern. Alex saß neben ihr, mit dem Rücken an einen Sessel gelehnt, zwischen den Händen sein Cognacglas. Er blickte in die Flammen, und Felicia blickte zu ihm - verstohlen, unter halbgesenkten Lidern. Draußen brach die Dämmerung herein, das Feuer im Kamin verbreitete ein weiches Licht. In seinem Schein wirkten die Konturen von Alex' Gesicht sanfter, die Schatten enthüllten die neue Verletzbarkeit in seinen Zügen.
    Felicia hatte früher nie über ihn nachgedacht; nichts hatte sie von ihm gesehen als das, was er ihr präsentierte: den eleganten, weltgewandten, selbstbewußten Mann, der ebenso leicht gute Manieren wie ein ungehobeltes Benehmen an den Tag legen konnte, der sie abwechselnd zärtlich und rücksichtslos behandelte. Nun regte sich eine neue Erkenntnis in ihr: Ich habe mich ja nie bemüht, ihn zu ergründen. Ebensowenig wie Benjamin. Verstehen wollte ich immer nur Maksim, dabei hat er ohnehin wie ein aufgeschlagenes Buch vor mir gelegen. Er war kein Geheimnis. Aber Alex ist eines, und hätte ich nur früher versucht... Gleich darauf fragte sie sich verwundert: Ja, will ich ihn denn noch?
    »Das kann doch wohl nicht sein«, murmelte sie.
    Alex sah sie an. »Was ist?«
    »Ich fragte mich eben, ob ich in all den Jahren in Wahrheit zwei Männer geliebt habe.«
    »Wen denn, außer Maksim Marakow?«
    »Dich«, sagte sie, und in ihren Augen erwachte der Spott über das Groteske dieser Situation. Er siegte über den sekundenlangen Anflug von Romantik, der sich schon einschleichen wollte.
    Alex grinste. »Es ist anzunehmen. Sonst wären wohl deine Beziehungen nicht alle schiefgegangen. Du hast es bloß nie wahrhaben wollen, weil du in mancher Hinsicht immer das kleine Mädchen aus gutem Hause warst, dem man beigebracht hat, es gebe nur die eine große, überirdische Liebe. Laß es dir von einem erfahrenen Mann gesagt sein: In den meisten Fällen paart sich die Liebe mit höchst irdischen Gelüsten, mit Begierde, Machthunger oder Selbstbestätigung... und da bei dir alles zusammenkommt, brauchst du mindestens zwei Männer, um es auszuleben!«
    »Du siehst nicht die Spur Gutes in mir, oder?«
    Gelassen entgegnete er: »Der Mann, der an das Gute in dir glaubte, hat sich erschossen, war es nicht so? Nein, nein, ich hänge zu sehr an meinem Leben und an meiner Gemütsruhe. Ich sehe dich, wie du dich gibst, und es amüsiert mich, weil du immer ein Spielball deiner Maßlosigkeit sein wirst. Ausgerechnet deine Gier verhindert, daß du erreichst, was du willst. Ich kann dir einen gewissen Mut nicht absprechen. Es ist faszinierend zu sehen, wie du grundsätzlich zu hoch pokerst - und dann schließlich alles verlierst. Ob es um Männer geht oder um Geld, du willst alles und riskierst alles.«
    »In allererster Linie riskiere ich mich dabei.«
    »Wie ich schon sagte - deinen Mut habe ich ja auch immer bewundert.«
    Seine Gelassenheit machte sie erneut zornig.
    »Unsinn, das alles«, sagte sie heftig, »Weihnachten und Kaminfeuer, mehr steckt nicht dahinter. Wie ich nur auf die Idee kommen konnte, ich hätte dich und Maksim je zu gleicher Zeit...«
    »So abwegig ist es nicht. Irgendwo sind dein teurer Maksim und ich einander gleich. Wir reizen dich, weil du uns nicht unter deinen Willen zwingen kannst. In Maksims Herzen hatte Genosse Lenin immer den ersten Platz, und ich habe auch nie vor dir auf den Knien gelegen. Nicht gerade originell, weißt du. Es gibt viele Frauen von deinem Schlag. Du haust den Männern,
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