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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit
Autoren: Link Charlotte
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Altersunterschied deutlich. Ich bin Anfang dreißig, er steht kurz vor fünfzig. Letzthin hab' ich die besseren Karten, die Zeit arbeitet für mich. Sie meisterte ihre Unsicherheit, indem sie zum Gegenangriff überging. »Es ist sehr leicht«, sagte sie giftig, »mir jetzt im nachhinein Vorhaltungen zu machen, nachdem du dich, als der Karren im Dreck steckte, in Luft aufgelöst und mir die Scheiße hinterlassen hast!«
    Er lächelte. Ihre Fähigkeit, dann und wann unerwartet vulgär zu werden, hatte er immer gemocht.
    »In der Tat«, stimmte er mit verdächtiger Sanftmut zu.
    »Deserteure sollten den Mund halten. Menschen ohne Ehre sind keine überzeugenden Prediger.«
    »Sehr richtig!« Langsam gewann Felicia wieder Boden unter den Füßen. Sie reckte das Kinn. »Da wir diese Feststellung nun tatsächlich in seltener Übereinkunft getroffen haben, könntest du vielleicht endlich die Frage beantworten, die ich dir vorhin gestellt habe. Weshalb bist du zurückgekommen?«
    Alex zögerte und sah sie an. Es wurde ihr unbehaglich unter seinem prüfenden Blick. Dieses Gesicht kannte sie nicht, es trug auf einmal einen fremden Ausdruck. Er hatte sie früher oft mit dieser Kälte gemustert, aber dann hatte Ironie seinen Zorn entschärft. Diesmal lag seine Feindseligkeit unverschleiert vor ihr mit Verwunderung empfand sie sogar eine an ihm völlig ungewohnte Verletzbarkeit darin.
    »Vielleicht«, sagte er leise, »bin ich nur gekommen, dir den Hals umzudrehen.«

    Es kam Kat vor, als sei etwas von dem Zauber in ihr Leben zurückgekehrt, der über ihrer Jugend gelegen und sie zu einem glücklichen, leichtlebigen Mädchen mit etwas überspannten Nerven gemacht hatte. Erinnerungen an früher waren in den letzten Jahren bitter für sie gewesen, weil ihnen der triste Geruch der Unwiederbringlichkeit anhaftete. »Damals glaubte ich noch... damals hoffte ich noch... damals war ich noch naiv genug zu denken...«
    Weg mit dem Quatsch! befahl sie sich jetzt. Ein warmer Funke hatte sich in ihr entzündet, machte ihre Schritte leichter, ihr Gemüt regsam. Zwar hatte sie einen steinigen Weg vor sich, aber sie hatte den verzweifelten, demaskierten Wolff in ihren Armen gehalten, und eine wahre Woge der Kraft war über sie hinweggeflutet. Ein Mensch suchte Halt bei ihr - das war die Herausforderung! Und nun auch noch Alex... als hätte das Schicksal beschlossen, ihr all die Energie wiederzugeben, die es ihr in den letzten Jahren genommen hatte.
    »Du bist der einzige Mensch, dem ich vertraue, Kat. Der einzige, dem ich immer alles sagen konnte.«
    »Ich bin deine Schwester. Uns kann nichts jemals trennen.«
    Sie hatte seine Hand gehalten, während er sprach, abwechselnd ruhig und erregt, Selbstanklagen mit messerscharfen Analysen seines Wesens mischte, sein Heimweh bekannte und seine unheilbare, ewige Sehnsucht nach Felicia. Von der ersten Sekunde an habe sie ihn angezogen und zugleich abgestoßen. Kraft, Liebe, Loyalität habe er in ihr gespürt, eine starke Hingabe an das Leben. Er sei fasziniert gewesen von der vollkommenen Zwiespältigkeit ihres Wesens, nicht ahnend, daß es das war, was sie unerreichbar machte. Oberflächlich sei sie ihm vorgekommen, verspielt, unreif, vergnügungssüchtig, oft sogar grausam. Aber das sei nur die eine Seite gewesen.
    »Begreifst du, Kat, das war die Seite, die sie ausspielte, weil es bequemer war, ihr mehr Vorteile brachte, sie davor bewahrte, das Leben ernst nehmen zu müssen. Sie wollte nicht erwachsen werden, sie muß gespürt haben, daß dann ein Zug in ihr die Oberhand gewinnen würde, der ihr Leben nur erschwerte. Aber immer wieder ist das Gute und Bewundernswerte an ihr sichtbar geworden.«
    Eine Liebe frei von Zynismus habe er auf einmal in sich entdeckt, und ihm hätte gleich klar sein müssen, daß hieraus nur eine Tragödie entstehen konnte. Einem widersprüchlichen, komplizierten Wesen mit dem berühmten Glauben an das Gute im Menschen entgegenzutreten, sei tödlich, es besitzen zu wollen, führe in einen aussichtslosen, ermüdenden Kampf.
    »Es war das Bild, das ich von ihr sah. Ich sah es, und sie war das schönste Mädchen der Welt für mich, und ich erkannte alles, was ihr Wesen ausmacht - ihre hinreißende Tapferkeit, ihren Stolz, ihre Klugheit und Wärme. Ich begriff, daß ihr Spott giftig sein konnte wie ein Schlangenbiß, aber daß sie unsichtbar immer ein Schwert in der Hand hielt, die zu beschützen, die sie liebte. Eigensinnig sah ich sie, und unabhängig... nur, der Maler,dachte
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