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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit
Autoren: Link Charlotte
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ihren Füßen schienen Gewichte zu hängen.
    Mein Gott, ich war mit diesem Mann verheiratet. Er ist doch kein Fremder, trotz der zwölf Jahre.
    Doch er war ein Fremder, und die Erinnerungen, die sich schroff in Felicias Gedächtnis drängten, machten es nur noch schlimmer. Aber als sie die Tür zur Bibliothek öffnete, wußte sie, daß sie auf diesen Moment gewartet hatte und deswegen in München geblieben war.
    Alex stand mitten im Zimmer. Er hielt ein Cognacglas in der Hand und betrachtete angelegentlich die Bücherrücken in den Regalen, als gebe es dort etwas Neues zu entdecken. Er wandte sich langsam um, sah Felicia an und sagte: »Ach...«
    Sie schloß die Tür hinter sich, weil Jolanta mit Sicherheit zuhören wollte, und schüttelte den Kopf, daß die Wassertropfen aus ihren Haaren flogen.
    Sie fühlte sich plötzlich nackt und schutzlos, wollte den letzten Halt, ihren teuren Pelzmantel, unter keinen Umständen ausziehen, obwohl im Kamin ein loderndes Feuer brannte. Sie und Alex taxierten einander mit den Augen, keinem entging auch nur eine Kleinigkeit am anderen.
    Er hat Geld, dachte Felicia, im gleichen Moment, da Alex das Schweigen brach und sagte: »Soll ich dir den Preis meines Anzuges in Dollar oder gleich in Reichsmark nennen? Es würde deine Berechnungen vielleicht erleichtern?«
    »Was meinst du?«
    »Deine schönen, kalten Augen haben mich soeben in Geld aufgewogen, und ich will dir nur sagen, du mußt dich nicht zurückhalten. Frag mich ruhig, wie hoch der Stand meiner Konten ist.«
    »Wie kommst du darauf, daß ich...«
    »Ich weiß alles über dich. Pardon, es war vielleicht etwas indiskret, aber ich habe mir von Kat deine Lebensgeschichte der letzten zwölf Jahre erzählen lassen. Im Moment bist du ein bißchen... out of business, oder?«
    »Was geht's dich an?«
    Er lächelte. »Verzeihung. Wenn du nicht willst... gar nichts!«
    Felicia vergrub ihre Hände in den weiten, weichen Taschen ihres Mantels, hob die Schultern, so daß sich der breite Kragen an ihr Gesicht schmiegte. Sie sah aus wie eine junge Katze, die sich in das Fell ihrer Mutter kuschelte. Nein, entschied Alex in Gedanken, wie eine etwas verlebte Katze, die gar keine Mutter mehr hat. Ihre nassen, tropfenden, rotgefärbten Haare hatten etwas Rührendes...
    »Daß wir so reden müssen«, sagte sie, »über ein ganzes Jahrzehnt hinweg haben wir uns nicht gesehen, und kaum stehen wir einander gegenüber, machen wir da weiter, wo wir aufgehört haben - im schönsten Streit!«
    »Das ist wohl unsere Bestimmung.«
    Sie zuckte die Schultern. »Warum bist du nach München zurückgekehrt?«
    »Warum du?«
    »Ich? Um hier in Konkurs zu gehen, das weißt du ja.«
    »Jaja.« Nachdenklich schwenkte er seinen Cognac.
    »Du und Wolff. Daß ihr gemeinsame Sache machen und gemeinsam untergehen würdet... es findet sich auf dieser Welt, was zusammenpaßt. Darin liegt wohl die gewisse Harmonie begründet, die das Erdenschicksal doch noch da und dort zu haben scheint.«
    »Es gibt weiß Gott nichts, was Wolff und mich verbindet.«
    »Nein?« Jetzt klang seine Stimme kalt. »Eure gemeinsame Liebe ist das Geld, eure gemeinsame Angst die Armut, eure gemeinsame Waffe die vollkommene Skrupellosigkeit. Soll ich weitermachen?«
    »Nein.«
    »Meiner Schwester Kat hast du recht übel mitgespielt. Ja, fast könnte man sagen, du hast ihr Leben verpfuscht. Natürlich, du wirst entgegnen, daß du sie zu nichts gezwungen hast. Aber da du im Grunde deines Wesens zumindest eine gute Eigenschaft besitzt, nämlich eine gewisse Ehrlichkeit, wirst du zugeben müssen, daß du Kat gegenüber erstens nicht ganz bei der Wahrheit geblieben bist und zweitens ihre damals recht labile Gemütsverfassung für deine Zwecke benutzt hast. Das sehe ich nicht falsch, oder?«
    »Du hast ja keine Ahnung, was...«
    »Doch. Ich weiß, daß dich Wolff in der Mangel hatte. Kat oder die Fabrik - eines von beiden wollte er haben. Und eines von beiden, das hattest du wohl begriffen, würdest du ihm geben müssen. Natürlich hast du nächtelang mit dir gerungen, aber schließlich trafst du die Entscheidung, die dir für alle Beteiligten am besten schien - und in allererster Linie natürlich am besten für dich!«
    Wenn er nur aufhören würde, sie zu verhöhnen! Sie kam sich vor wie ein kleines Schulmädchen. Zorn stieg in ihr auf. Was bildet er sich denn ein? Kommt plötzlich nach Hause und präsentiert mir die Generalabrechnung! Jünger ist er auch nicht geworden. Langsam wird unser
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