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Sturmwarnung

Sturmwarnung

Titel: Sturmwarnung
Autoren: Art Bell , Whitley Strieber
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Lehrerin sich umarmen ließ, kamen sie langsam auf ihn
zu. Es waren insgesamt 19, die ganze vierte Klasse der Saints Peter and Paul
Elementary School in Far Rockaway. Sie hatten eine Klassenfahrt nach Manhattan
unternommen, um etwas über Bibliotheken zu erfahren. Als der Schneesturm immer
heftiger wurde und der Bus einfach nicht kam, hatte sie in der Schule
angerufen. Man hatte sie aufgefordert zu warten; der Fahrer hätte gemeldet, er
sei noch unterwegs.
    Der Bus
kam nicht mehr. Die Bibliothek leerte sich, bald waren sie dort ganz allein.
Die Telefone fielen aus. Der Strom fiel aus. So ging sie mit den Kindern ins
Restaurant auf der anderen Straßenseite und wartete dort. Dann funktionierte
auch die Gasheizung nicht mehr. Als es zu kalt geworden war, hatte sie
beschlossen, mit den Kindern in die Bibliothek zurückzukehren, wo sie
wenigstens mit den Büchern heizen konnten.
    Die junge
Frau war Schwester Rita O’Connor und gehörte dem Orden Sisters of Divine Providence an. Seit Beginn des
Sturms hatte keines ihrer Kinder seine Eltern erreichen können. Sie
waren erschöpft und verängstigt, hatten Heimweh und froren entsetzlich. Eines
der Kinder hatte eine Lungenentzündung, zwei hatten Frostbeulen, die Hand der
Schwester war erfroren und, wie sie befürchtete, brandig.
    Bill
untersuchte sie sogleich. Nun, eine Gangrän war es nicht, aber schlimm sah es
trotzdem aus.
    Danach gaben sie ihre
Entdeckung ans Basislager durch. Allem Anschein waren in New York doch nicht
alle tot. Die anderen Teams meldeten ebenfalls, dass sie hier und dort
Schlupflöcher gefunden hatten.
    Die
Einsatzzentrale in Quantico bestimmte, dass die Flüchtlinge, die als
»überlebensfähig, aber auf medizinische Hilfe angewiesen« eingestuft wurden,
zur Sheep Meadow transportiert werden sollten. Dort würde eine C-130 im
Anschluss an einen ähnlichen Einsatz in Washington noch vor sechs Uhr eine
Palette mit Zelten und drei Tagesrationen Lebensmitteln für 50 Personen
abwerfen. Morgen sollten für die Arktis geeignete Schneeanzüge abgeworfen
werden.
    Für
Schwester Rita und die vierte Klasse der Saints Peter and Paul endete so der
letzte Schulausflug. Weinend ging sie neben Bob her. Die Hoffnung auf Hilfe
hatte sie bereits aufgegeben. Was geschehen war, hatte sie noch nicht
begriffen. Sie hatte die ganze Zeit geglaubt, der Blizzard sei auf New York
beschränkt gewesen. Als sie erfuhr, wie viele Teile der Welt ebenfalls davon
betroffen waren, blieb sie lange stumm.
    Die Kinder
verhielten sich außerordentlich diszipliniert. Alle halfen sich gegenseitig und
auch Schwester Rita so gut sie konnten.
    Bei ihrer
Rückkehr ins Lager senkte sich Dunkelheit über die Stadt. Weil Manhattan ohne
Licht war, konnte man alle Sterne
sehen. Der Mond war eine Scheibe aus reinstem Silber, als er sich anschickte,
der Sonne in den noch orangefarben leuchtenden Westen zu folgen.
    Mary hatte
ein Zelt aufgebaut, ein Wasserkessel dampfte, und die Luft roch nach Essen.
Wiener Würstchen, dachte Bob. Die Kinder konnten es nach dem langen Hungern
kaum noch erwarten. Endlich gab es wieder etwas Warmes.
    Als sie das einzige
bereitgestellte Zelt betraten, gab es eine Überraschung. Es war bereits mit 30
Leuten gefüllt und drohte aus allen Nähten zu platzen. Die Luft darin war so
schlecht, dass Bob Brechreiz davon bekam. Irgendwie schaffte er es, ihn zu
unterdrücken.
    Es waren
Leute aus allen Gesellschaftsschichten – Einheimische oder Besucher wie Rita
und ihre Klasse, die vom Sturm Überrascht worden waren, Menschen, die in der
U-Bahn Zuflucht gefunden hatten oder in irgendwelchen Gebäuden, wo es zufällig
etwas Verheizbares oder irgendwelche Vorräte gegeben hatte.
    Die
meisten waren am Verhungern. Alle hatten Frostbeulen und Probleme mit dem
Atmen. Einige würden bald sterben.
    Doch jeder Einzelne
strahlte etwas aus, das Bob nur aus Büchern kannte, aber noch nie mit eigenen
Augen gesehen hatte: die Würde und die Entschlossenheit eines Menschen, der
etwas Schreckliches überlebt hat. Selbst die Kinder zeigten eine sanfte,
beharrliche Stärke und Einfühlungsvermögen für all die anderen um sie herum.
    An ihnen
erkannte Bob, was tatsächlich in einem Menschen steckt – etwas, das es ihm
ermöglicht, schreckliche Ereignisse zu überleben. Es war das Gleiche, das
Schwester Rita die Kraft gegeben hatte, 19 Kinder auf einer Reise durch die
Hölle am Leben zu erhalten, und das in den anderen sämtliche Reserven
mobilisiert hatte. Die verkrümmten Rücken,
die fahlen
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