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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel
Autoren: Dora Tauer
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nach Los Angeles!“ Bert stapfte bereits über die Treppe zum ersten Obergeschoss.
    Ich würde gern ein paar seiner Abenteuer hören , dachte ich, schade .
    „Oder nach Florida!“ Bert hatte den Augenblick des Lächelns zwischen mir und dem neuen Hausgenossen gar nicht wahrgenommen. Merkte er überhaupt, dass ich ihm noch immer nicht folgte?
    „Wenn du’s bezahlen kannst?“ Ich lächelte und nickte dem Mann vor seinem geöffneten Postkasten noch einmal zu – wahrscheinlich hatte mein Lächeln in diesem Moment einen genervten Zug – und wollte mich schon abwenden, da streckte er mir seine Rechte entgegen. Ich stellte meine Tasche ab und griff zu.
    Warm und stark fühlte sie sich an, diese Männerhand, und ihre Wärme strömte mir durch den Arm und in meinen ganzen Körper hinein. Ich wollte ihm meinen Namen nennen, brachte aber kein Wort über die Lippen. Oben fluchte Bert vor sich hin, weil er mal wieder den Wohnungsschlüssel nicht fand.
    Auch der blonde Mann nannte seinen Namen nicht, ließ aber auch meine Hand nicht los. Er spähte nach oben, wo Bert mit dem Schlüsselbund klirrte, klappte seinen Briefkasten zu und deutete mit der Linken auf den Namenszug daran. H. Bär las ich. Sein Finger fuhr über die Namen an den anderen Briefkästen und hielt über meinem Namen an: Uta Bach . Fragend zog er die blonden Brauen über seinen blauen Augen hoch.
    „Wo bleibst du denn?“ Berts genervte Stimme aus dem ersten Stock; endlich hatte er die Wohnungstür aufgeschlossen.
    Ich sah dem Mann namens H. Bär ins stoppelbärtige Gesicht und nickte. Ganz schüchtern fühlte ich mich auf einmal; das ist sonst nicht meine Art. Unter meinem Zwerchfell schien ein großer Vogel mit den Flügeln zu schlagen.
    Der Mann gab meine Hand frei, ich drehte mich um. Schnell weg! Schnell zu Bert und zu meiner Wohnung im zweiten Stock hinauf.

    *

    Zu meiner Wohnung, jawohl!
    Seit zwei Jahren erst wohnte Bert bei mir; Jura im sechzehnten Semester, vielleicht auch im achtzehnten. Ich glaube, er wusste es selbst nicht mehr genau.
    Sein Beitrag zum gemeinsamen Haushaltsbudget war ein Witz. Ich sorgte für das Geld – damals arbeitete ich als Krankenschwester auf einer Säuglingsstation – ich kochte jeden zweiten Tag, machte die gemeinsame Wäsche und verschaffte dem Herrn Anwalt in spe den Sex, den er brauchte.
    „Selber Schuld, Uta“, pflegte meine Mutter zu sagen, wenn ich mal wieder jammerte. Recht hatte sie.
    Der neue Hausbewohner ging mir nicht aus dem Sinn – seine Stimme, sein Gesicht, seine Hände; ich träumte sogar von ihm.
    In den Tagen nach dem Urlaub blieb ich manchmal bei den Briefkästen stehen und betrachtete seinen Namen, wie man eine rätselhafte Songzeile wieder und wieder betrachtet; dabei bestand er nur aus vier Buchstaben – H. Bär . Wie er wohl mit Vornamen hieß? Hanno? Humphrey? Hagen?
    Hoffentlich nicht Heiko, so hatte Berts Vorgänger geheißen.
    In meiner Fantasie malte ich mir aus, was für ein Leben der neue Hausgenosse führte, was er arbeitete.
    Bestimmt ein Journalist oder ein Reiseschriftsteller; oder ein Fotograf? Ob er in einer festen Beziehung lebte? Aufmerksamer als sonst achtete ich auf die Leute, die in unserem Stadthaus ein und aus gingen. Eine fremde Frau fiel mir nicht auf.
    Ich fand heraus, dass er die Mansardenwohnung unter dem Dach bewohnte. Wenn ich nun einfach an seiner Tür klingelte, um nach Zucker, Briefmarken oder Zahnstochern zu fragen? Was auch immer – irgendwann würde ich es ja zurückbringen müssen und dann, dann würde er mich zum Kaffee einladen.
    Warum eigentlich nicht?
    Und warum lud nicht einfach ich ihn zum Kaffee ein? Na klar – so würde ich es machen! Und einen Zuckerkuchen backen! Auf die naheliegendsten Ideen kommt man meistens zuletzt, dabei sind es in der Regel die besten. Ich begann also, eine Einladung zu schreiben. Nach dem siebten Versuch gab ich es auf.
    Ich fragte nicht nach Zucker, ich lud ihn nicht zum Kaffee ein, backte auch keinen Kuchen. Nichts tat ich. Verdammte Schüchternheit! Ich traute mich einfach nicht.
    Die Wochen nach dem Urlaub verschanzte Bert sich in seinem Zimmer hinter seinem Schreibtisch. Eine Prüfung stand an. Die dreiundsiebzigste oder so. Und ich pflegte meine Säuglinge und lernte Russisch. Nächstes Jahr nach Moskau, das war klar. Wenn der Herr Anwalt in spe partout nicht mitkommen wollte, dann eben ohne ihn. Eigentlich war auch das schon klar.
    Manchmal, wenn ich Schritte im Treppenhaus hörte, klopfte mein Herz. Dann lief
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