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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel
Autoren: Dora Tauer
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ich zu den Postkästen hinunter oder tat, als hätte ich etwas im Keller zu erledigen.
    Verrückt.
    Doch ich sah ihn selten, leider – dieser Abenteurer schien ein sehr unregelmäßiges Leben zu führen. Und wie sollte er auch ein regelmäßiges Leben führen als Reiseschriftsteller oder als Fotograf am Nil oder am Amur?
    Wenn wir uns dennoch zufällig begegneten, vor dem Haus oder im Supermarkt nebenan, blieb er jedes Mal bei mir stehen, lächelte und sagte irgendetwas Nettes. Ich selbst gab mich einsilbig – vor lauter Nervosität.
    Kein Wunder, lud er mich nicht zum Kaffee ein.
    Manchmal – beim Babywickeln auf der Säuglingsstation oder über meinen Russischlektionen – spürte ich seine Hände auf meiner Haut. Und woran dachte ich, wenn Bert und ich aus purer Gewohnheit doch einmal miteinander ins Bett gingen?
    An H-Punkt Bär, ganz genau.
    An seine blauen Augen und seine starken Hände, wenn ich auf Bert ritt und er meine Brüste festhielt; an seine raue Stimme und seine stoppelbärtigen Wangen, wenn ich mich unter Bert in den Leintüchern räkelte.
    Kein Zweifel: Es hatte mich erwischt.
    Richtig erwischt.
    Bert zog aus, als ich ihn nicht mehr in mein Bett ließ. Ich war überrascht, wie sehr es mich erleichterte.

    *

    Nicht lange danach klingelte eines Nachmittags das Telefon. Ich saß mit meinem Russisch-Buch auf dem Balkon, und in der Küche rumpelte meine alte Waschmaschine. Ich lief in die Diele zum Telefontisch – und trat in eine Wasserlache.
    Ein breites Rinnsal floss aus der Küche.
    „Mist!“
    Die Küche stand schon halb unter Wasser. Ich tastete die Rückseite der Waschmaschine ab. Der Zulaufschlauch war undicht. Berts Stimme quäkte vom Anrufbeantworter. Das passte!
    Schnell zur Spüle und den Hahn für den Wasserzulauf abdrehen! Hektisch schraubte ich daran herum, schraubte und schraubte – doch der verdammte Zulaufhahn ließ sich nicht mehr schließen.
    „Überdreht! Scheiße!“
    Zum Telefon und die Nummer des nächstbesten Klempners gewählt. „Schnell!“ Ich glaube, ich schrie in den Hörer. „Meine Küche steht unter Wasser!“
    Zwei, drei Stunden könne es schon dauern, nuschelte eine gelangweilte Männerstimme, und ich solle einfach den Haupthahn unter der Spüle abdrehen.
    Ich legte auf. „Idiot!“
    Das Wasser hatte schon die Schwelle der Wohnungstür erreicht. Schimpfend rollte ich ein Saunatuch zusammen, riss die Tür auf und legte die breite Stoffrolle zwischen Türschwelle und Fußabtreter. Unten im Treppenhaus hörte ich Schritte.
    Zurück in die Küche und zur Spüle. Einfach den Haupthahn abdrehen also, na gut ...
    Ich ging in die Hocke, riss die beiden Türen unter der Spüle auf, starrte in ein Dickicht aus Spraydosen, Putzmittelbehältern, Schläuchen, Töpfen und leeren Weinflaschen – der verdammte Haupthahn war nirgends zu sehen.
    „Und das am freien Tag!“ Ich knickte den Zulaufschlauch ab und verfluchte alle Klempner dieser Welt.
    „Brauchen Sie Hilfe?“ Ein Mann stand auf einmal im Türrahmen der Küche. Nicht der Klempner – H-Punkt Bär.
    Ich traute meinen Augen kaum, mein Herz geriet ins Stolpern.
    Er trug einen grauen Jogginganzug mit dunklen Schweißflecken auf der Brust und unter den Achseln. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. „Himmel!“, rief er und lachte. „Kleine Sturmflut oder was?“
    Gott, diese Stimme! Diese tiefe und raue Männerstimme! Ich glaube, ich starrte ihn an wie eine Erscheinung.
    „Der Zulaufhahn ist überdreht.“ Endlich wollten mir die Worte über die Lippen. „Und der Schlauch leckt.“ Beides erschien mir auf einmal vollkommen gleichgültig. Meine Wut war wie weggeblasen, mein Herz schlug höher.
    „Ich hole meinen Werkzeugkasten.“ Er drehte sich um und lief hinauf in seine Wohnung. Gott, war ich aufgeregt!
    Tapfer hielt ich den geknickten Zulaufschlauch fest und wartete. Das Herz klopfte mir im Hals, und ich beglückwünschte mich zu meiner alten Waschmaschine mit ihrem porösen Schlauch.
    Aufgeregt lauschte ich. Bald hörte ich wieder Schritte auf der Treppe. Endlich! Meine Wohnungstür fiel zu, und mein Abenteurer aus der Mansardenwohnung stellte seine Werkzeugkiste auf einen Stuhl. „Alles halb so schlimm, Uta, das haben wir gleich.“
    Er streifte seine Joggingbluse ab, packte eine Rohrzange aus und machte sich an dem überdrehten Wasserhahn zu schaffen. Sein dunkelblondes Haar stand wirr nach allen Seiten ab. Ein Stoppelbart wucherte in seinem kantigen Gesicht. Er trug ein rotes, ärmelloses
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